Fela Anikulapo Kuti – Box Set 1 :: Kämpferisch

Der König ist gegangen, die Nachlaßregelung geklärt, Afro-Beat kann kommen. Gerüchten zufolge hat die Hebung des sagenhaften Schatzes des Fela Kuti knapp zwei Jahre gedauert, weil seine Söhne die Rechte erst an das Label Barclay France verkaufen mußten. Die zwölf Original-LPs aus den 70ern, die jetzt in zwei Boxen samt Booklet und Postkarten erschienen sind (wahlweise auch als 10 Einzel-CDs mit 20! Alben), stellen eine der atemberaubendsten Entdeckungen der Popkultur der letzten 30 Jahre dar. Fela Kuti war der manische, messianische Street Preacher seiner Zeit, ein grotesker Sexist, ein Kämpfer für Frieden und Freiheit im politisch instabilen und korrupten Nigeria – und ein charismatischer Ausnahme-Musiker. Als er von einer US-Tournee Ende der 60er Jahre in seine Heimat zurückkehrte, modifizierte er den leichtfüßigen Highlife-Jazz seiner Band Koola Lobitos in jenes bigbandige, bläserumtoste polyrhythmische Monster, das bald als Afro-Jazz bekannt werden sollte – beeinflußt von James Brown, Sly Stone und dem revolutionären Duktus der Black Panthers. Pro LP gab es ein oder zwei Stücke, und pro Stück eine Idee, die Kuti (Gesang, Saxophon, Keyboards) und seine oft 3Oköpfige Band in schwindelerregenden Endlosschleifen umkreisten. Sexy Erlöserpathos für die unteren Millionen. Die Bässe sind superfunky, die Keyboards erinnern an Kraftwerk, als diese noch „Ralf und Florian“ hießen. Die alles entscheidende Kraft im orchestralen Africa-70-Gefüge speziell auf den frühen Masterpieces OPEN & CLOSE, SHAKARA und GENTLEMAN war Rhythmiker Tony Allen, der, assistiert von einem halben Dutzend Conga-, Maracas- und Shekere-Spieler, die brodelnde Jazz-Funk-Suppe auf Betriebstemperatur hielt. Die Geschichte Kutis ist aber auch die eines fast schon übermenschlichen Widerstandskämpfers gegen diverse Militärregimes. Seine Kommune Kalakuta wurde 1977 von einer Truppe von 1000 Soldaten gestürmt und niedergebrannt, Freunde gefoltert, seine Mutter aus dem Fenster geworfen. Die Alben SORROW, TEARS & BLOOD (über die Stürmung Kalakutas) und UNKNOWN SOLDIER (über die Ermordung seiner Mutter) reflektieren ein Stück Geschichte. Fela Kuti reagierte auf die Ereignisse im Tempo einer Monatszeitung. Die Schätzung der Gesamtzahl seiner Alben schwankt zwischen 40 und 80, in seiner aktivsten Phase Mitte der 70er Jahre nahm er 17 LPs in drei Jahren auf. Der König des Afro-Jazz fährt mit etwas Verspätung in den Pop-Olymp hinauf – der Mythos bahnt sich posthum seinen Weg. Und wie wird’s weitergehen? Kutis Weggefährte Tony Allen hat mit seinem aktuellen Album BLACK VOICES Afro-Beat-Vergangenheit mit Dancefloor-Gegenwart verbunden. Felas Sohn Femi tourt mit hochpolitischen Afro-Beat aus der Light-Klasse durch die Welt. Die Thronfolge bleibt derweil noch offen.