Mike Ness – Cheating At Solitaire

Was macht einer der Leitwölfe des amerikanischen Punkrock, wenn er merkt, daß er in die Jahre gekommen ist und im Grunde ausgepunkt hat? Mike Ness,fast 20 Jahre lang Frontman der Punkrock-Legende Social Distortion beantwortete sich diese Frage in der ihm eigenen Total-Konsequenz:Er läßt sich „LOVE“ auf die Finger der linken Hand tätowieren, setzt sich einen Kuhtreiberhut auf, sprüht sich „Hoodoo Voodoo“ auf seinen 54’er Dodge, greift sich seine, von Johnny Cash handsignierte, Akustik-Epiphone, geht ins Studio und erforscht, wie scharf Country-Rock heutzutage klingen darf. Ziemlich scharf, wie er schnell merkt: Ness erinnert sich an die musikalische wie politische Kraft und Klarheit, die seine‘ Vorbilder in seiner Jugend hatten-Johnny Cash, Hank Williams, Elmore James, die frühen Springsteens und Dylans. CHEATING AT SOLITAIRE handelt nicht nur von Classic Cars, Bikes und Tattoos. Mikes Songs beschäftigen sich mit den Themen der „Alten“: Probleme der Arbeiterschaft in den USA, Elend, menschliche Abgründe, aber auch der unverdünnt eingesogene Geschmack von Freiheit und Abenteuer beherrschen die Texte. Musikalisch fängt Mike Ness so ziemlich alles ein, was in diese Outline gehört: Country-Rock, Blues, Rockabilly (mit Brian Setzers kreischender Gretsch bei „Crime Don’t Pay“) und Folk in allen verfügbaren Härtegraden. Die Verbeugung vor Dylan („Don’t Think Twice“) ist tief und gitarrenhart, die Hommage an Hank Williams („You Win Again“) steelguitargeschwängert. Wo soviel Authentizität zusammenkommt, ist natürlich auch der „Boss“ nicht weit: Springsteen himself singt und spielt mit Ness bei „Misery Loves Company“ im Duett und zeigt, daß es auch ein Leben nach dem Punkrock gibt.