Die Bücher
Künstlerpech: Kaum war das Manuskript für WOLFGANG NIEDEKEN UND BAP – IN EIGENEN WORTEN (Palmyra, 29,80 Mark) in der Druckerei gab die Rand den nahen Abschied von Klaus „Major“ Heuser, dem neben Niedecken letzten Urmitglied der Kölsch-Rocker, bekannt. Plötzlich erscheint manche Aussage geradezu prophetisch: Der Gitarrist sei „damals auch nicht eingestiegen, weil er BAP-Fan war, sondern weil er glaubte, mit BAP am weitesten zu kommen. Akzeptier ich komplett“ (Niedecken 1986). Die von Jörg-Peter Klotz mit viel Fingerspitzengefühl editierte Zitatesammlung beweist indes: BAP ist keineswegs am Ende, und Wolfgang Niedecken ein gescheiter, grundsympathischer Gesell, der zu Dylan und Dialekt, Liedern und Liebe, Pop und Politik, Kickern und Kunst Kluges zu sagen weiß. Dafür gibt’s die höheren Vorwortweihen von Dietmar Schönherr. Und wir warten auf euer „Exile On Main Street“ Wolfgang.
Jene legendäre Stones-Scheibe gehört gemeinhin auf jede Liste musikalischer Meilensteine und darf natürlich auch in Karl ßruckmaiers SOUNDCHECK – DIE 1O1 WICHTIGSTEN PLATTEN DER POPGESCHICHTE (C.H.Beck, 17.90 Mark) nicht fehlen. Andererseits: Selbstverständlich ist das nicht bei einem Autor, der – wie jeder Mensch mit gutem Geschmack – ein gnadenloser Snob ist. Folgerichtig wird einem hier auf 160 Seiten allerlei Obskures (1/2 Japanese), Verkanntes (Michael Hurley, Grant McLennan), über alle Zweifel Erhabenes (Townes van Zandt, Hank Williams, Robert Johnson), aber auch falsch Eingeschätztes – Captain Beefhearts „Clear Spot“ (was ist mit „Safe As Milk“?), Neil Youngs „Harvest“ (schon mal „On The Beach“ gehört?), —angedient. Letzteres freilich erscheint verzeihlich angesichts der erhabenen Größe von Karl Bruckmaiers Unterfangen und seiner in flinke Fabulierkunst gekleideten analytischen Schärfe, die bisweilen an Pop-Cheftheoretiker Greil Marcus erinnert.
Schade, daß Doors-Platten unter Bruckmaiers Lieblingen fehlen, wo doch zumindest das Debütalbum und „LA. Woman“ jeder Top-100-Liste würdig wären. Rekordverdächtig – vor allem weil das Quartett aus Los Angeles nach dem Tod Jim Morrisons am 3. Juli 1971 praktisch aufhörte zu existieren – ist die bis heute nicht abebbende Flut von Büchern, die sich meist darauf beschränkenden Mythos vom „Lizard King“ wiederzukäuen. Ray Manzareks DIE DOORS, JIM MORRISON UND ICH (Hannibal, 42 Mark) bildet da keine Küchenpsychologie, Suaden über Oliver Stone, Andy Warhol oder die Crateful Oead sowie das ausgeprägte Ego des Keyboarders verleihen der „wahren Geschichte“ eine seltsame Note. Wir warten weiter auf die ultimative Doors-Bio, empfehlen das im gleichen Verlag erschienene „Riders On The Storm“ von Drummer John Densmore (der Jim Morrison nie sonderlich mochte) und weisen Ray – von Fan zu Fan mit 3 Sternen die Tür.
Jim Morrison wollte zeitlebens als Poet gelten. Und trug als düstere Ikone der Gegenkultur zur (rock-) musikalischen Sozialisatlon vieler Dichter bei. Salman Rushdie, der vom Rock n‘ Roll-Virus in Bombay infiziert wurde, gehört dazu. Jener Salman Rushdie, über den islamisehe Fanatiker 1989 wegen seines Buches „Die satanischen Verse“ die Fatwa verhängten, den Mordaufruf, der den 52jährigen bis heute von Versteck zu Versteck hetzen läßt. In seinem neuen Buch DER BODEN UNTER IHREN FÜSSEN (Kindler, 49,80 DM) will Rushdie nun das „Aufeinandertreffen der Sprache der Literatur und des Rock ’n‘ Roll-Slangs“ spüren und erzählt auf 745 Selten von Ormus, Vina und ihrer Band VTO, reißt die Leser in einen Strudel aus atemberaubender Fabulierlust, wortmächtigen Bildern und psychedelischen Fantasien. Die Welt, das Leben und all das andere Zeug aus Sicht des Manischen Straßenpredigers von der Desolation Row. Ein Trip. Eight Miles High.
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