Still Crazy :: Film des Monats

Der Film zur nimmer endenden Diskussion auf den ME/Sounds-Leserbriefseiten: Haben frühpensionierte Rocker von anno Dunnemals im Zeitalter von Big Beats, die größer sind als die Drumsticks von Cozy Powell selig, ein Anrecht auf Reunion-Shows? STILL CRAZY antwortet mit einem Marshall-verstärkten „Ja!“, in das man nach 100 unterhaltsamen Minuten gerne einstimmt. Da fällt es kaum ins Gewicht, daß die Geschichte der fiktiven Powerchord-Heroen Strange Fruit bei aller FULL MONTY-Liebenswürdigkeit bisweilen so berechnet wirkt wie die Bemühungen eben jener ewigen Berufsjugendlichen, die ihre Hymnen von einst noch einmal gewinnbringend und sinnentleert an den Fan bringen wollen. Regisseur Brian Gibson tut zwar nicht jenen gnadenlos zynischen Blick hinter die Kulissen des Rockzirkus, der THIS IS SPINALTAP zum unerreichten Klassiker werden ließ, dennoch hat sein Film Biß: Gibson, der bereits bei TINA – WHAT’S LOVE GOT TO DO WITH IT bewies, daß er es versteht, Musik verblüffend echt in Szene zu setzen, beweist hier auch ein Gespür für die witzige Skizze der Egos von Männern, die in die Jahre gekommen sind, es sich aber nicht eingestehen wollen: Das ewige Stänkern, die lässigen Witze, die markigen Sprüche, mit denen Überlegenheit gezeigt und Ängste verdeckt werden sollen – all das ist gleichzeitig komisch und trifft ins Mark. STILL CRAZY erzählt die Geschichte eines Haufens von Tunichtguten, der 20 Jahre nach seiner Trennung bei einem Festival wieder gemeinsam auf der Bühne stehen soll und dazu ein Hindernis nach dem anderen aus dem Weg wälzen muß. Wenn sich Keyboarder Tony (Stephen Rea) auf den Weg macht, seine Jungs wieder zusammen zu trommeln, trifft dieses Zelluloid gewordene Stück Classic Rock keine falsche Note. Mühelos verwebt Gibson wahre Rockmythen und zahllose Zitate in die fiktive Story: Die Suche nach dem scheuen Gitarristen Brian entpuppt sich etwa als cleverer Verweis auf die Schicksale legendärer Dropouts wie Syd Barrett oder Peter Green. Und wenn die u. a. von Jeff Lynne, Mick Jones und Bernie Marsden geschriebene Musik anschwillt, dann fühlt man sich tatsächlich in ein Paralleluniversum versetzt, in dem Deep Purple (Mark II, wohlgemerkt), Free oder Uriah Heep allen Widersprüchlichkeiten zum Trotz noch alive and kicking sind. Vielleicht hat sich STILL CRAZY seine Handlung allzu bequem zurechtgelegt und erspart es sich so, etwas kritischere Fragen über Sinn und Unsinn von alternden Heroen in engen Bühnenklamotten zu stellen. Aber eines muß man anerkennen: Relevanter war Stadionrock auch in den Seventies nicht. Start: 22.4.