De Singles

Wir haben Riegel vor den Herzen, hat Udo Jürgens mal gesungen. Das war 1971, seitdem ist eine Menge passiert, und so kurz vor der Jahrtausendwende sind wir prinzipiell erstmal offen für alles. Auch für einen Track, in dem partiell Barry Manilow vorkommt. Helmut Geier alias DJ Hell hat sich Manilow vorgeknöpft und in „Copa“ (Disko B/ V2/Rough Trade) ein Sample aus dessen Endsiebziger-Hit „Copacabana“ reingebastelt. Fix noch einen flotten Technobeat druntergelegt. die Bläsersätze ein bißchen angespitzt – und schon summt’s im Tanzbein. Ab sofort denken wir bei „Copacabana“ nicht mehr an reifere Damen, die ihrem Star teure Blumensträuße auf die Bühne werfen, die sie sich zuvor vom Munde abgespart haben. Von heute an denken wir bei „Copacabana“ wirklich an Sommer, Sonne, Strand und String-Tangas. Danke, Helmut.

Danken sollte man auch den Menschen hinter dem Projekt The All Seeing I und dem Vorsitzenden von Pulp. Die Herren Buckle, Honer, Barrett und Jarvis Cocker haben sich nämlich um Tony Christie gekümmert. Der war Mitte der 90er Jahre dermaßen auf den Hund gekommen, daß er ein Duett mit Vicky Leandros gesungen hat. Heute ist aber alles wieder gut: Im Kreise von The All Seeing I singt Christie in der ersten Reihe und gibt bei „Walk LikeA Panther“ (Motor Music) mit schniekem Anzug und zweifarbiger Krawatte in bonbon-pastell elegant den großen Crooner. Möglicherweise die Generationen-übergreifende Blaupause für den lockeren Tanztee mit unwiderstehlichem Groove.

Dänemark. Sprechen wir über Dänemark. Nicht unbedingt das Land, in dem Pop mit großem „P“ geschrieben wird. Doch diesbezüglich ist jetzt Umdenken angesagt. Denn jetzt gibt es die Natural Born Hippies, vier junge Männer aus Kopenhagen. Die haben sich den Kinks-Klassiker „Lola“ (BMG Ariola) zur Brust genommen, den Text um eine nicht unwesentliche Komponente erweitert (nenene, selber hören!) und die vier Buchstaben ein bißchen glammig aufgepeppt: Der Sänger singt so hochgepitcht, als hätte man sein Gemächt in Daumenschrauben gelegt, und dazu trägt er einen Poposcheitel. Das ist ziemlich authentisch, und aus Gründen der Solidarität klöppeln wir uns Omas Gardinen an die Schlaghose und finden das prima.

Mindestens ebenso prima ist das, was Dettinger auf der elektrischen Spielwiese veranstaltet. Auf seiner Debüt-Maxi „Blond“ (Kompakt) zeigt uns der Künstler, wie locker minimalistischer House swingen kann. Noch besser ist allerdings die Flipside: „Blond“ ist hier nicht mehr Haarfarbe, sondern Zustand, Gesinnung und Einstellungssache. Und zwar eine, die sich mit einem vertrackten Rhythmus und karg-technoiden Strukturen in sämtliche Synapsen schraubt. So fühlt sich der Zitteraal, wenn er ein paar Stromschläge abgegeben hat: befreit.

Wie man sich hingegen bei Oval aka Markus Popp und dessen 10-lnch „Aero Deko EP“ (Form & Function/ Rough Trade) fühlen soll, ist ein Rätsel. das es noch zu lösen gilt. Das Info verspricht „Musikgewordene Architektur“ und „Noise-Elemente a la Thurston Moore“. Ersteres mag ja noch stimmen, letzteres ist glatt gelogen und eine Schmähung dessen, was Sonic Youth seit Anfang der 8oer Jahre so alles fabriziert haben. Unstrittig ist hingegen, daß Oval diverse Geräusche koppelt, diese über- und ineinander legt und es knarzen,fiepen und vor allem schaben laßt. Möglicherweise ist das der Sound für den Morgen nach dem Abend davor: Die Nacht war heftig, der Tag ist schon da und keiner hat’s gemerkt.