Element Of Crime :: Elementare Äußerungen
Basically Sad 1986
Regener: „Da solltest du was sagen, Richard, du warst damals noch nicht dabei.“
Pappik: „Erstaunlich finde ich, daß die Platte in nur fünf Tagen aufgenommen wurde.“
Regener: „Unter Zuhilfenahme von genau einer Flasche Old-Smuggler-Whiskey. Die mußte vom ersten bis zum letzten Tag reichen. Uwe Bauer, unser Produzent und damaliger Drummer, hat gesagt, wir sollten aufhören, so zu spielen wie irgendjemand anders, und ich solle nicht länger versuchen, wie Bryan Ferry zu klingen.“
Elements im Embyronalzustand, Moll-Klänge für Vollmondnächte, minimalistisch, melancholisch, bisweilen ein wenig verträumt und, nicht nur weil Sven Regener englisch singt, voller charmanter Velvet Underground-Anklänge.
Try To Be Mensch 1987
Pappik: „Produziert von John Cale. Das war ganz schön aufregend. Wir haben ihn mit großem Respekt behandelt, und er hat uns spielen lassen, spielen lassen, spielen lassen. ‚Das war euer Programm? Spielt’s nochmal.‘ Aber wir haben’s doch schon dreimal gespielt. ‚Egal, spielt’s nochmal.‘ Und wir dachten: ‚Auf was haben wir uns bloß eingelassen?‘ Umwerfende Erfahrung.“
Regener: “ Da waren ’ne Menge Hits drauf. ‚Nervous & Blue‘, ‚You Shouldn’t Be Lonely‘, ‚Something Was Wrong‘, ‚No God Anymore’…“
Der Trip nach London hatte sich gelohnt: zehn fabelhafte Songs, die die unwirkliche Atmosphäre nächtlicher Streifzüge durch urbane Neon-Bars beschwören, während der Asphalt regennaß glänzt, die Welt allmählich zu verschwimmen beginnt und längst kein Taxi mehr hält.
Freedom, Love & Happiness 1988
Regener: „Das schwierige dritte Album. Wir haben es neulich mal wieder gehört, extrem punkig, oder? Dabei haben wir uns damals wirklich gestritten, ob es nicht viel zu soft, zu kommerziell ist.“
Pappik: „Kleine bandinterne Zerßeischungsarien, zum ersten Mal. Und jetzt mit Abstand kann man sagen: Die Platte ist total gut gelungen.“
Alles so schön bunt hier: Die Band verabschiedet sich von den Schwarzweiß-Skizzen der frühen Jahre, und die Uptown Horns geben den in New York aufgenommenen Songs einen funky touch. Ein muskulöses, mitunter etwas verkrampftes Album,jedoch mit einigen Killertracks.
The Ballad Of Jimmy & Johnny 1989
Pappik: „Hansa by the wall, zum ersten Mal in Berlin im Studio.“
Regener: „Blick auf den Potsdamer Platz. Den Regen haben wir original aufgenommen samt Blitz und Donner. Sehr gute, experimentelle Platte. Das erste deutsche Lied: ‚Der Mann vom Gericht‘.“
Es pfeift der Wüstenwind, es sirrt die Slide: ein staubtrockener, selbstbewußter und entspannter Ausflug in ländliche Gefilde. Den kürzesten Weg von Berlin nach Arizona kannten damals Element Of Crime, und Regener sang von Morgenzügen, Satellitenstädten und magischen Reisen.
Crime Pays 1990
Pappik: „Da mußten wir der Plattenfirma mal ein Zuckerchen anbieten, des besseren Umgangs wegen. Deshalb ein Live-Album.“
Regener: “ Wir waren in einer schwierigen Situation, extrem verunsichert, weil ‚Ballad Of Jimmy & Johnny‘ nicht sehr gut gelaufen war. Es ging uns um Zeitgewinn. Wir hatten schöne Gigs auf dieser Tour, in Genf zum Beispiel oder in Wien.“
Rückblick und Atempause in einem: Trotz inspirierter Versionen diverser Band-Klassiker plus Kurt Weills „Surabaya Johnny“ gilt, was für viele üve-Alben gilt: Souvenir für die, die dabei waren, Pflichtkauf für Fans, doch im Vergleich zu den Studioalben eben nur die halbe Miete.
Damals hinterm Mond 1991
Regener: „Zu den deutschen Texten hat uns die Plattenfirma mit roher Gewalt gedrängt. Aber weil wir extrem stur sind, hätte das nie geklappt, wenn die Idee nicht sowieso schon dagewesen wäre. Es war die erste Platte, bei der Dave (Young; Produzent, Gitarrist und quasi fünftes Elements-Mitglied seit 1988, Anm.d. Red.) mehr gespielt hat, die erste mit Streichern, es war in vielerlei Hinsicht das erste Mal.“
Pappik: “ Wir waren lockerer, sind spielerischer mit dem Material umgegangen.“
„Damals hinterm Mond“ war der Ouantensprung in der Karriere von Element Of Crime. Die Musik war zwar immer noch Rock’n’Roll, doch durch die Beigabe von Akkordeon, Violinen, Celli und Bläsern und vor allem durch Sven Regeners wunderbar poetischen Umgang mit der Sprache bekamen die Songs dieses seltsam chansoneske Berlin-der-Goldenen-Zwanziger-Flair.
Weißes Papier 1993
Regener: „Zu dem Zeitpunkt hatten uns eigentlich alle schon aufgegeben. ‚Die ist ja noch trauriger als die letzte‘, hieß es, und keiner dachte, daß das mit uns noch was würde. Und ausgerechnet die Platte war dann der Bringer.“
Mit diesem Wunderwerk ließen Element Of Crime so ziemlich alles hinter sich, was bis dato an deutschsprachiger Rockmusik gehört ward. „Nicht mal das Meer darf ich wiedersehen, wo der Wind deine Haare vermißt, wo jede Welle ein Seufzer und jedes Sandkorn ein Blick von dir ist“, und dazu spielte die Band so sanft, so lässig, so schön, mit diesem süßen Biß. Ein Traum, in dem man sich rettungslos verlieren kann.
An einem Sonntag im April 1994
Regener: „Die ist in der Band durchaus umstritten gewesen, vor allem wegen der extrem vielen Overdubs. Die Produktion war sehr gedrängt. Es ist die chansoneskeste unserer Platten. Wenn man sie heute hört, stellt man fest: sehr schöne Musik und: Was sollte die Scheißstreiterei?“
Element Of Crime waren – ein Jahr nach „Weißes Papier“ – an einem Endpunkt angekommen: Orchestraler, vielschichtiger, ausladender als hier ging es einfach nicht mehr. Doch auch wenn die Klangfarben mit dem ganz großen Pinsel aufgetragen waren, hatte die Platte noch reichlich Momente stiller Größe.
Die schönen Rosen 1996
Pappik: „Neulich bin ich sonntags mit meiner Familie spazierengegangen. Da stehen nachmittags um halb drei zwei Punks neben uns an der Ampel und grölen ‚Ich hänge wie ein Trottel in der Leitung, und du willst mich nicht sehen‘. Singen die doch tatsächlich – immer abwechselnd – Zeile für Zeile ‚Die schönen Rosen‘. Mein Sohn Felix war völlig baff.“
Regener: „Die Platte war eine Reaktion auf den sehr opulenten Vorgänger, extrem reduziert, spröde, spartanisch. Nicht, daß wir das bewußt gemacht hätten. Aber jetzt, mit ein paar Jahren Abstand, kann man sagen: Die Entwicklung war logisch, hin zur puren Substanz.“
So nah am Rock’n Roll waren Element Of Crime seit „Try To Be Mensch“ nicht mehr. Selbst in den leisesten Momenten kamen die Lieder ungemein kraftvoll daher, Lieder, die von Liebe handelten und von Haß, dahintreibend wie die „Tumbling Tumbleweeds“, jene Windhexen, die durch Geisterstädte zu torkeln pflegen und die die Band in einer Coverversion des gleichnamigen Bob-Nolan-Songs trefflich besingt.
Psycho 1999
Regener: „Wir haben uns gesagt: Okay, vergessen wir mal den ganzen Quatsch. Wir sind frei. Wir machen jetzt nur genau das, was das jeweilige Lied braucht.“
Pappik: “ Wir sind praktisch eigens für jeden Song ins Can-Studio nach Weilerswist gefahren.“
Regener: „Das waren rauschhafte Aufnahmen, extrem aufregend.“
Fürwahr ein passender Titel: „Psycho“ leuchtet die psychedelischen Momente des Lebens aus, strotzt vor Experimentierfreude, lärmt auch mal ordentlich und zeigt eindrucksvoll, welch toller Gitarrist Jakob Friderichs ist, wie behutsam und bestimmt er den Sound formt, derweil Sven Regener wieder allerlei Poetisches zu sagen weiß. (Näheres im Plattenteil).
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