Der Schmale Grat :: Film des Monats

Vom schmalen Grat zwischen gesundem Verstand und Wahnsinn, Leben und Tod, Sieg und Niederlage handelt James Jones‘ 1962 erschienener Roman über den Cuadalcanal-Konflikt zwischen Amerika und Japan, der als Wendepunkt im Krieg im Pazifik gilt. In einer freien Adaption greift Terrence Malick einzelne Themen und Handlungsstränge der Vorlage auf, ohne sich allerdings den Zynismus Jones‘ oder dessen minutiöse taktische Manöver zu eigen zu machen. Bei Malick, einer Art J.D. Salinger des Films, der nach seiner letzten Arbeit IN DER GLUT DES SÜDENS für 20 Jahre in der Versenkung verschwand, um wie aus dem Nichts mit dieser Meditation über die Vergänglichkeit des Seins und die Allmacht der Natur aufzutauchen, entwickelt sich aus der lose verbundenen Geschichte der Mitglieder einer Kompanie und ihrer apokalyptischen Erlebnisse im Dschungel vielmehr der seltene Fall eines durch und durch poetischen, bisweilen gar esoterischen US-Filmes. Da ist der Jesus-artige Schütze Witt (der phänomenale Newcomer Jim Caviezel), der, vom Tod seiner Mutter berührt, in der Schlacht nach der Essenz des Lebens forscht, der zynische Sergeant Welsh (Sean Penn), der den Krieg verachtet, weil es nur um Besitz geht, Private Bell (Ben Chaplin), den nur der Gedanke an seine Frau aufrecht hält, Captain Stavros (Elias Koteas), der befürchtet, seine Entscheidungen für seine Truppe könnten tatsächlich Ausdruck seiner Feigheit sein, und schließlich Lieutenant Tall (Nick Nolte), der über Leichen geht, um seine Ziele durchzusetzen. Zwischen ihnen und einer Reihe weiterer Randfiguren wandert unablässig der Fokus des Films, und ihre aus dem Off gesprochenen Gedanken offenbaren Ängste, Zweifel, Sorgen, die im krassen Gegensatz zu den überwältigenden Naturaufnahmen stehen, mit denen Malick sich seinem ambitionierten Stoff nähert. Keine Angst, DER SCHMALE GRAT ist weit davon entfernt, ein prätentiöser Gottesdienst zu sein: Wenn Malick seine Darsteller nach einstündigem Marsch durch die Natur unter Feuer nimmt, dann stehen diese Szenen auch einem DER SOLDAT JAMES RYAN an Intensität in nichts nach. Nur: Malick hat einen anderen Ansatz als Spielberg. Sieht der in seinem Überwältigungsdrama Authentizität als ultimatives Ziel, wagt DER SCHMALE GRAT mit impressionistischen, nicht immer leicht zu entschlüsselnden Gemälden eine Annäherung an den häßlichsten von Menschen herbeigeführten Schrecken – und verweigert die Antworten auf viele seiner klug gestellten Fragen. Das macht Malicks Film so wichtig, aufwühlend und faszinierend -zu einem Meisterwerk.