Sleater-Kinney – The Hot Rock

THE HOT ROCK ist das vierte Album einer Band, die sich mit dem Medium Rock in Haßliebe arrangierte: Das US-All-Girl-Trio Sleater-Kinney machte den Machos des Rock ’n‘ Roll die Hölle heiß und nutzte zur gleichen Zeit des Mediums Kanäle, um ihren selbstbewußten Girlism in die Umlaufbahn zu katapultieren. Wer nach dem ¿96er Album CALL THE DOCTOR noch nichts von Riot-Grrrls gehört hatte, bekam einen Tritt in den Arsch verpaßt. Riot-Grrrl-Rock speiste sich aus den Widerstandsformen einer Generation, die erstmals auch weibliche Idole hatte, die nicht auf Sex reduziert werden konnten. Sleater-Kinney spinnen die Historie der „gender politics“ im Rock ’n‘ Roll mit diesem Album ein paar Umdrehungen weiter und landen irgendwo auf freier Steppe. Dort entstehen unter dem Pulverdampf des Post-Punk neue, noch nicht festgefügte musikalische Formen: Carrie Brownstein gibt eine ganz trockene, piesackende Gitarre, Corin Tucker umkreist die Riffs der Kollegin mit ihrem lärmenden, leiernden Tremolo, das jeden Moment in sich selbst zu ersticken scheint – übrig bleiben verstörende Bilder der Zärtlichkeit, Szenen der Verletzlichkeit. In „The End Of You“ singt Corin Tucker: „Sailing Off the Edge Of Truth/Into The End Of You“. Anderenorts aber öffnen Sleater-Kinney Fenster in eine Welt, die auch der geneigte Rock-Hörer männlichen Geschlechts aus seiner Plattensammlung kennt: „Don’t Talk Like“ könnte von Heather Nova oder Kristin Hersh kommen, ein geradezu melancholisches Stück für Sleater-Kinney-Verhältnisse. „Banned From The End Of The World“ erinnert an das fabulöse britische Girl-Trio The Slits. Die Revolution entläßt ihre Kinder, das Standbein steht, jetzt ist das Spielbein an der Reihe.