Stina Nordenstam – People Are Strange
Traurigkeit liegt zuerst im Blick. Vielleicht läßt sie sich auch in Gesten erkennen, in beiläufigen Bewegungen. Ganz sicher aber in der Stimme. Die Traurigkeit des Gegenübers enthüllt sich eher am Telefon als im Bett. Nachts um halb drei klingelt es, du stehst mit kalten Füßen am Telefon. Regen läuft in langen Tränen an der Fensterscheibe herab, der Wasserhahn tropft, es geht ihr nicht gut. Sie singt dir traurige Lieder vor. Irgendwas über Segeln. Über die Wasser, über die See. Du weißt, daß sie verrückt ist. Sie hat schwarzes Blut und singt über Vögel auf Drähten. Und du hörst Celli und Violas. Schrill übersteuerte E-Gitarren, ganz weit weg ins Wohlige gemixt. Still schreitender Garagensound und eine Stimme, die sich im Wald verloren hat und friert. Die 29jährige Norwegerin Stina Nordenstam liefert mit PEOPLE ARE STRANGE ein eindrucksvolles musikalisches Zeugnis ihrer Trübsal. So interpretiert sie Rod Stewarts hedonistische Ode „Sailing“, als handele es sich um einen eskapistischen Segeltörn über den Hades. Und Leonard Cohens trotziges Melancholikum „Bird On A Wire“ wird zum kraftlosen Abschiedslied einer Selbstmörderin dekonstruiert. Und selbst Princes euphorische Hymne „Purple Rain“ scheint von Frau Nordenstam vor Wut in Klump geschlagen worden zu sein, um sie anschließend mit müder Bewegung wieder zusammenzusetzen. Statt, wie bei Coverversionen üblich, Harmonien zu leihen und sie in einen neuen Zusammenhang zu stellen, entfaltet sie ein sprödes LoFi-Parallel-Universum, wo selbst dem durchgekautesten Gassenhauer sein autistischer Zwillingsbruder zur Seite gestellt werden kann. Klang die Nordenstam schon auf DYNAMITE wie Björk auf Valium, wie Kate Bush in tiefster Herbstdepression, so zieht sie sich mit PEOPLE ARE STRANGE ins düsterste Tiefgeschoß der Seele zurück. Hier ist Singen nicht Dramaturgie, nicht Konflikt und dessen Auflösung, sondern schlicht kreisendes Ahnen, ein endloses Tasten nach dem Lichtschalter.
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