Der Pferdeflüsterer
Mit seiner Verfilmung des Bestsellers von Nicholas Evans gelingt Robert Redford ein ähnliches Kunststück wie Clint Eastwood mit DIE BRÜCKEN AM FLUSS: Er macht aus einer kitschigen Romanschnulze ein erwachsenes Drama, das unter die Haut geht – selbst dann,wenn man mit Pferden nicht viel anfangen kann. In einer furiosen Eröffnungssequenz zeigt Redford in abgehackten. Schnappschußartigen Bildern, wie die 14jährige Grace mit ihrem Pferd Pilgrim verunglückt. Dem Mädchen wird ein Bein amputiert, und auch die Wunden von Pilgrim wollen nicht heilen. Graces Mutter, die Frauenmagazin-Redakteurin Annie (so gut wie in DER ENGLISCHE PATIENT: Kristin Scott Thomas), erfährt von dem sagenumwobenen Pferdeheiler Tom Booker (Redford) in Montana und macht sich mit den beiden Problemfällen auf den Weg in den Westen. Dann öffnet Redford mit einem Mal die zuvor hektischen, eng quadrierten Bilder, nimmt das Tempo aus dem Film, um auch dem Publikum die Gelegenheit zu geben, sich mit dem Anblick von Natur und nichts als Natur anzufreunden. Immer wieder inszeniert er kleine Momente, die den Zusammenprall zweier amerikanischer Welten, der Zivilisation und des Westens, illuminieren. Aber auch das eigentliche Thema des Films, Geduld und Heilung, kristallisiert sich langsam heraus. Eine dreiminütige Szene, in der Redford Pilgrim tief in die Augen blickt, oder die Filmlaufzeit von knapp drei Stunden mögen exzessiv erscheinen, aber sie machen Sinn in dieser tiefempfundenen Ballade, die ihren Figuren alle Zeit der Welt gibt, sich über ihre Gefühle und ihr Leben klar zu werden. Wenn es so etwas gibt wie filmischen Balsam für die Seele, dann liegt die Essenz im PFERDEFLÜSTERER.
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