Der Eissturm
Wenn wir die Unkultur der 70er Jahre und all ihre bizarren Blüten umarmen, dann geschieht das vom Standpunkt einer Sicherheit, die nur zeitlicher Abstand bringt: Man kann sich die Rosinen aus einer Zeit herauszupicken, die weniger bunt und lebenslustig war als es die farbenfrohe Mode rückblickend suggeriert. Jene, die sie durchlebten, wissen: Ein Zuckerschlecken war die Ernüchterung nach dem scheinbar endlosen High der Swinging Sixties nicht. In DER EISSTURM, der Verfilmung von Rick Moodys bitterem Roman über eine tragische Nacht in einer US-Kleinstadt im Jahr 1973, injiziert Ang Lee der Ära all die Kälte, die sie verdient. Der titelgebende Eissturm ist eine überdeutliche Metapher für die Lebensgemeinschaft der zwei Familien im Mittelpunkt der Geschichte. Während Vater Ben Hood hilflos versucht, zu seiner depressiven Frau durchzudringen und seine Verzweiflung in einer nicht minder freudlosen Beziehung mit seiner gelangweilten Nachbarin ablädt, machen die jugendlichen Kinder ihre ersten sexuellen Erfahrungen. Das Drama spitzt sich zu, als die Hoods zu einer Gesellschaft fahren und feststellen müssen, daß es sich um eine Schlüsselparty handelt – ein Spiel, bei dem die Sexpartner nach dem Zufallsprinzip ermittelt werden. Die Tragödie nimmt ihren Lauf. Familien, und wie sie ihren Zusammenhalt in Zeiten der gesellschaftlichen Veränderung stärken, sind die Themen, die der Taiwanese Ang Lee bereits in „Eat Drink Man Woman“ oder zuletzt „Sinn und Sinnlichkeit“ behandelt hat, aber nie war sein Blick präziser, seine Stimme bissiger, seine Aussage klarer. Und daß er die Größe zeigt, seine Figuren dann am wärmsten zu behandeln, wenn sie am lächerlichsten sind, verleiht dem Film seine Extraklasse.
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