Faust – Edinburgh 1997; Faust – Faust Wakes Nosferatu

Faust haben Gefallen gefunden an ihrer eigenen Legende. Und so machten die wiedererwachten Krautrocker 1997 zu ihrem wohl aktivsten Jahr seit der Bandgründung 1970. Die Musiker absolvierten in den vergangenen zwölf Monaten ihre erste Deutschland-Tournee überhaupt (dies jedoch fast unter Ausschluß der Öffentlichkeit), wurden bei zahlreichen Auslandsgastspielen gefeiert und bringen jetzt – nach der Studioplatte YOU KNOW FAUST vom Anfang des Jahres – zwei Livealben zur gleichen Zeit heraus. EDINBURGH 1997, 5 Sterne, wurde beim „Flux New Music Festival“ im August mitgeschnitten und bringt die ganze Magie eines Faust-Auftrittes in die vier Wände des geneigten Käufers. Neben Werner Diermaier und Hans Joachim Irmler standen noch Steven Wray Lobdell (Gitarre) und Michael Stoll (Querflöte, Kontrabaß) auf der Bühne. Die genialen Dilettanten improvisieren in knapp 70 Minuten acht Stücke, die – konsequenterweise – ineinander übergehen. Zusammengehalten wird das Ganze von expressiver Percussionsarbeit. Der Rhythmusteppich aus „normalem“ Schlagzeug und Faust-spezifischen Instrumentarium (Öltank, implodierende Fernsehgeräte etc.) bietet Raum zum Ausbreiten. Und was sich da ausbreitet sind Orgien aus Lärm, Rückkopplungsgeheul, verzerrte Gitarren, Spoken Words, aber auch zart-lyrische, mantra-artige Passagen und nicht zuletzt Michael Stoll, der mit Querflöte und gestrichenem Baß den Faust’schen Klangkosmos veredelt. Das zweite Album, FAUST WAKES NOSFERATU, 4 Sterne, ist eine Live-Improvisation zu Friedrich Wilhelm Murnaus Stummfilmklassiker. Das ist Kunst. Na und? Die Faust-Filmmusik ist ruhiger, geordneter als das „reguläre“ Livealbum. Über 70 Minuten Musik, die auch unabhängig von Murnaus expressionistischen Schwarzweiß-Bildern leben. Faust live, das ist ein gigantischer Strom aus klanggewordener Lava, Musik, die geradezu danach schreit, gesampelt und remixed zu werden.