Wynton Marsalis – Blood On The Fields

Innerhalb der Jazz-Gemeinde ist er die Reizfigur schlechthin. Aber nicht etwa, weil der 35jährige Wynton Marsalis schon mal die Blue Notes gegen die virtuosen Läufe klassischer Trompeten-Konzerte eintauscht. Der Mann aus New Orleans polarisiert, weil er sich als einzig wahrer Nachlaßverwalter des Jazz auserwählt fühlt, der Ahnen wie Buddy Bolden, Duke Ellington und John Coltrane zu würdigen weiß. Schließlich geht es um die identitätsstiftenden Roots afro-amerikanischer Kultur, und die findet Marsalis nicht in den aktuellen Strömungen Acid-Jazz oder HipHop (die sein Bruder Branford vollmundig beherrscht). Waren die bisherigen Hommagen an den Blues und an die New Yorker Dance Halls der 30er „nur“ mächtige Happen aus dem Black-Community-Archiv, vereint Marsalis jetzt in der dreistündigen Semi-Jazz-Oper BLOOD ON THE FIELDS alles, was den Sammler und Kenner der Vergangenheit ausmacht: Spirituals, Rags, Blues, Swing, federleichte Stomps und schwermütige Märsche. Der passende Soundtrack eben zu diesem Drama, in dessen Mittelpunkt Cassandra Wilson als Sklavin Leona und Miles Griffith als Sklave Jesse stehen. Doch Marsalis‘ Quellenstudium ist kein biederes Nachbuchstabieren. Er stellt unter Beweis, daß die Weiterentwicklung der Traditionais in den Händen eines brillanten Arrangeurs/Komponisten anspruchsvoll und unterhaltsam sein kann.