Brüllen
Schatzitude
Die Kolossale Jugend, so lehrt die Hamburger Pop-Geschichtsschreibung, hat die ganze Sache mit der „Schule“ ins Rollen gebracht. Damit ist die erste Platte, die Kristof Schreuf der Sänger der Jugend, seit deren Ende vor fünf Jahren veröffentlicht, nicht nur für den Hamburger Zirkel, sondern für die gesamte deutsch(sprachig)e Musiklandschaft bedeutsam. Das auffälligste ist dabei zunächst eine politische Entscheidung, denn mit dem kleinen Label Buback halten Brüllen ihre Kunst so unkorrumpiert wie möglich. Das kann als Kommentar zum lust- und problemvollen Miteinander der drei „großen“ Hamburger Bands Die Sterne, Tocotronic und Blumfeld mit der Industrie gewertetet werden oder auch nur als adäquates Zeichen, daß trotz Spaß noch (Maximal-)Forderungen gestellt werden können. Dabei benutzt Schreuf jedoch eine ganz eigene Sprache. Verbindlicher und offener als zu Zeiten der Jugend ist dieses von Pop-Zitaten und anderen verstümmelten Anspielungen durchzogene Gebräu immer noch Kunstsprache in dem Sinne, als daß Worte aus ihren gesellschaftlich gesetzten Zuschreibungen befreit und anders (genauer?) verwendet werden. Natürlich ist das anstrengend: Der steinige Weg zum Verständnis erfordert viel mehr Aufwand, als Popmusik sonst für sich beansprucht. Aber vielleicht muß es auch gar nicht sein. Zum Glück genügt es, mit assoziativen Bildern seine eigene Platte zu machen. Die Musik gibt sich Mühe, den Worten zu folgen: erzählerisch, offen, „schrammelig“ und mit Rock-Erinnerungen spielend. Das geht leider nicht immer auf. Manchmal verheddern sich Brüllen zwischen dem hörbaren Anspruch nach musikalischer Eigenständigkeit und der Unterstützung der Texte in einigen Halbherzigkeiten und abgegriffenen Rockismen. Das bleibt aber schon die einzige Schwäche einer ansonsten großartigen Platte.