Keith Jarrett – La scala
Seinen Ruf als grandioses Improvisationstalent hat sich Keith Jarrett in der breiten Öffentlichkeit besonders mit den Live-CDs KÖLN CONCERT und BREMEN/LAUSANNE erspielt. In dieser Nachfolge ist auch sein Auftritt in der Mailänder Scala zu sehen – übrigens das erste Mal, daß dort ein Jazzer auftrat. Wie schon bei seinen Konzert-Mitschnitten in Paris (1988) und Wien (1991) erweist sich Jarrett als Meister der Tasten, doch was noch wichtiger ist: Er entwickelt seine Themen mit viel Phantasie und Einfühlungsvermögen. Jarrett-Fans kennen seine Methode – er legt einen rhythmisch eindringlichen Teppich aus, den er dann als Startrampe für seine improvisatorischen Höhenflüge nutzt. Hatte er dabei noch im KÖLN CONCERT die Grenze zum süßlichen Kitsch oft überschritten, so balanciert er hier geschickt zwischen eingängigen, scheinbar unüberlegt hingeworfenen Motiven und künstlerischem Anspruch. Zumindest im ersten 45-Minuten-Stück. Danach packt ihn der Geschwindigkeitsrausch: Hastig wuselt er über die Klaviatur und begleitet diese Free-Ausflüge mit seinem charakteristischen Stöhnen und Ächzen, bevor er sein Auditorium mit einem Betthupferl entläßt: Seine zärtliche Fassung des Klassikers „OverThe Rainbow“ versöhnt alle empfindlichen Ohren für die vorangegangenen Eskapaden und gibt einen Ohrwurm mit auf den Weg, der noch lange im Kopf herumspukt. Jarretts Mailand-Improvisation geriet zu einem würdevoll-seriösen Auftritt von vollendeter Eleganz.
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