Die Sterne – Von allen Gedanken schätze ich doch am meisten die interessanten :: Platte des Monats
Im letzten Jahr stürmten Die Sterne mit dem fettem Funk- und Soul-Groove in den wunderbaren Popsongs ihres dritten Albums POSEN den Musikkanal MTV, die Album-Charts und die Clubs der Republik. Von allen Bands der sogenannten „Hamburger Schule“ bekamen sie den Spagat zwischen verhuscht poetischen, intellektuellen Texten und geradezu genial eingängiger Melodik auf die Reihe, ohne sich dabei gegenüber den Gewohnheiten der Hörer des Formatradios allzu sehr zu prostituieren. Das vierte Sterne-Album nun trägt einen Titel, der nach Kästner oder Tucholsky klingt – und springt demnach auch nicht sofort ins Ohr (wie seinerzeit z.B. der „Universal Tellerwäscher“ oder „Was hat dich bloß so ruiniert“). Ausnahmen sind die vorab auf Single ausgekoppelten Nummern „Widerschein“ und „Sofern die Winde wehen“. Am sperrigsten gibt sich das lärmige „Merg.id“, bei dem das Quartett digitale Schnitte bewußt roh aneinanderreiht. „Die Produktionsspuren, die man sonst nicht hört, wollten wir hier mal transparent machen“, erklärt Zweimeter-Frontmann Frank Spilker. Ansonsten verabschieden sich Die Sterne vom leicht muffigen LoFi-Sound der ersten Alben: „Unsere Collagen sind inzwischen perfekter geworden“, konstatiert Spilker lakonisch. Auf POSEN gab es noch eine „Literaturliste“, in der Die Sterne „ohne Sampler gesampelten“ Musikern wie Hawkwind, Pink Floyd, Animals, Hot Chocolate und Serge Gainsbourg dankten. Mittlerweile verfremdet die Band ihre Inspirationsquellen derart, daß die Ursprünge nur noch zu erahnen sind:“Kannst Du Dich nicht endlich entscheiden“ klingt zum Beispiel wie ein perfektes Surrogat aus allen „High Life“- Disco-Samplern der späten 70er. Lediglich einmal wird der Einfuß deutlich hörbar: beim zuckersüßlichen „Klebrig – vermutlich“ klingt ganz klar Charlie Parkers „Barbados“ durch. Gewöhnungsbedürftig ist Frank Spilkers neuentdeckte Liebe zum Chorgesang mit sich selbst und die teilweise Abkehr vom charakteristisch gewordenen, chanson-artigen Sprechgesang. Seine Texte dagegen sind so brillant kryptisch wie gewohnt – eine philosophisch-tiefschürfende Weisheit wie „bis neun bist du o.k./bei zehn erst k.o.“ hat fast schon Sepp Herberger-Niveau.
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