Tindersticks – Curtains

Eine gute Flasche Rotwein aus dem Keller geholt – die Herren mit den teuren Maßanzügen sind wieder da. CURTAINS, das neue reguläre Album der Tindersticks nach dem letztjährigen Soundtrack NENETTE ET BONI, knüpft an den regulären Vorgänger TINDERSTICKS II von 1995 an: „Another Nrght In“ ist quasi eine Reprise von „A Night In“ aus II. Schon beim Opener zeigt sich: CURTAINS ist vor allem ein Triumph von Dickon Hinchcliffe. Der forsche Geiger der Tindersticks zeichnet nahezu allein für die Streicher-Arrangements verantwortlich, und diese Kunst hat er auf CURTAINS zu neuen Höhen geführt. Sein Gespür dafür, wann es an der Zeit ist, verhalten zu bleiben und wann, um auch mal dicker aufzutragen, läßt aus dem ohnehin wundervollen „Let’s Pretend“ mit seinen dramatischen Morricone/Mariachi-Trompeten ein Stück werden, dem man nachtrauert, wenn es nach nur dreieinhalb Minuten ausgeblendet wird. Seine Harmonien lassen „Buried Bones“, für das sich Stuart Staples wieder mal eine Duett-Partnerin geholt hat, schier zu Tränen rühren. Und seine Bläser und Streicher lassen das schicksalhafte „Bathtime“ in seinem Großstadt-Mood zwischen Bernard Herrmanns „Taxi Driver Suite“ und ßurt ßacharach’schem easy-Sound klassische Größe gewinnen. Crooner Stuart Staples schmachtet und schmilzt dazu, daß man sich bisweilen fragt, wie er bei soviel

entrücktem Phlegma überhaupt noch Worte über die Lippen bringt. Er singt mit sich selbst im Duett im melancholisch-langsamen Shuffle „Dick’s Slow Song“. Beklagt in einem ungewöhnlichen Quasi-Cowboy-Song (im Hintergrund glaubt man, galoppierende Kokosnuß-Schalen zu vernehmen, eine gezupfte Geige gibt sich als Banjo aus), er sei ein „Desperate Man“. Und legt im karg instrumentierten, metaphorischen „Bearsuit“ Blicke ins Seelenleben frei. Darüber – ebenfalls zu perfekter Wirkungsfülle arrangiert – der ganze holde Reigen Tindersticks’scher Klänge: atmosphärisch flirrende Vibraphone, warme, gutturale Orgeln, ein fragiles Harmonium, zart aufseufzende, dann hysterisch kreischende Violinen, kühl-leidenschaftliche Marimbas – in diesmal wieder fast durch die Bank erstklassigen Songs. Und mit besagtem Duett „Buried Bones“ und dem etwas schnelleren „(Tonight) Are You Trying To Fall In Love Again“ erkennt man gar einen gewissen Pop-Approach. Tindersticks demnächst in den Charts? Ich bitte Sie, meine Herren.