Faith No More :: Album of the Year
Faith No More gehören zweifellos zu den Schlaueren in der Crossover-Branche. Und das liegt daran, daß sich die Band noch nie allein darauf verlassen hat, ausführlich dem Drang nach dem Urschrei stattzugeben und ansonsten den Kids den nötigen Lärmwall für zermürbende Stagediving-Wettbewerbe zu bieten. Statt dessen wagen es die Herrschaften unverdrossen, ihr von feindlichen Geräuschen umstelltes Gitarrenrasen mit fragwürdigen Fremdkörpern zu durchwirken, die mit ihrem eigentlichen Genre so gut wie nichts zu tun haben: plötzliches dünnes Gitarrengeklimper, mitleidserregend wie die Magersucht selbst, Songtäler zwischen Wutwänden, die mit einem Mal an den Charme von Supermarkt-Musik erinnern und an eingeschweißte Barbie-Püppchen. Diese Konfrontation ist Faith No More schon des öfteren bestens gelungen – und manchmal auch arg in die Hosen gegangen wie auf KING FOR A DAY. Nunmehr gibt es einen neuen Versuch, der sich ALBUM OFTHE YEAR nennt, und der auf äußerst hörenswerte Art und Weise mißlungen ist. Im Jahr 1997 versuchen sich die Herren in der Dekoration durch Stahldraht-Zierkissen und Selbstgehäkeltem aus Eisenwolle: Crossover-Kitsch, der sich selbst erwürgt und trotzdem derart viele spannende Momente hat wie schon lange nicht mehr: Faith No More lassen’s auf ihrem neuen Album einerseits berserkerhaft krachen, um andererseits wieder gerade soviel Pop-Weichheit darauf zu kippen, daß es unter der Schmerzgrenze bleibt. Heraus kommt dabei letztendlich der Eindruck von Porzellan-Prinzessinnen, die mit Molotow-Cocktails hantieren, von Walnußeis in Totenschädeln oder von Drachen, die Feuerwehrmänner werden wollen. Das AL-BUM OF THE YEAR bekommt in seinen durchaus zahlreichen – lichten Momenten nahezu etwas Hymnisches, so als ob sich Bad Religion mit den Red Hot Chili Peppers duellierten. Wir haben von Faith No More schon wesentlich Fieseres gehört. Das neue Werk hat immerhin die Inspiration von mit Nägeln gefüllten Softcakes. Leckere Sache für Eisenfresser.
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