David Byrne – Feelings

Der New Yorker hat noch nie eine schlechte oder gar langweilige Platte vorgelegt, alles an seinen Songs ist durchdacht, innovativ, voller Finesse und Eleganz. Aber wenn es an echtes, schweres Herzblut geht, versagt der Mann kläglich. Der Kerl schleppt einfach zu viele Großstadt-Neurosen mit sich rum, hat zu viele schlaue Bücher gewälzt, hat sich zu viele unverständliche Avantgarde-Scheiben angehört. Das gilt auch für FEELINGS: die beteiligten Mitstreiter sind durch die Bank erste Sahne (u.a. Morcheeba, Devo), das Songmaterial ist perfekt durchstrukturiert, die Texte stecken voller vertrackter Zweideutigkeiten, die Produktion ist hervorragend – nur so richtig packen will einen die Platte auch nach mehrmaligem Hören nicht. Selbst ausgelassenen Musikformen wie Samba und Bossa Nova hängt Byrne ein beklemmend-neurotisches Mäntelchen um, wohltuende Melodien zerstört er mutwillig, indem er krächzende Violinen dazumischt. So ist FEELINGS ohne Frage ein intellektuelles Meisterwerk, das mit dem verschwitzten Irrsinn von echtem Rock’n’Roll nichts zu tun hat. Und weil das so ist, verschenke ich morgen die Platte an meinen Freund, den Philosophie-Dozenten.