Supergrass
In It For The Money
Die Tauben pfeifen es längst vom Big Ben und selbst im Hause Windsor wird laut über die gegenwärtige Krise von Englands wichtigstem Exportschlager sinniert: Britpop liegt danieder. Doch während die einen (Oasis, Pulp) noch vor sich hindümpeln, die anderen (Blur) vorerst die Hintertür bemühen, haben Supergrass ganz einfach das Tor zur Zukunft aufgestoßen. „Wir sind Außenseiter, schon immer gewesen. Also können wir tun und lassen, was wir wollen“, witzelt Sänger Gaz. Ihr neues Album IN IT FOR THE MONEY ist denn auch das frechste, frischeste und frivolste Album, das die Insel seit langer Zeit hervorgebracht hat – vielleicht sogar seit STG. PEPPER’S. Und das stammt immerhin aus dem Jahr 1967.
Natürlich erfinden Gaz Coombes, Danny Goffey und Mickey Quinn die Popmusik nicht neu, doch das Trio aus Oxford geht so ungeniert mit den Errungenschaften der U-Musik um, als hätten sie diese selbst zu verantworten. Glam, Punk, Hardrock, Pop und New Wave verschmelzen zu einer großartigen Melange. Dabei schienen Supergrass zunächst ein weiteres Kunstprodukt der englischen Hype-Maschine zu sein. Ihr ’95er-Debüt I SHOULD COCO brach alle Rekorde, enthielt allein fünf Hit-Singles (u.a. „Alright“, „Lenny“, „Caught In The Fuzz“) und verschaffte dem Trio Auszeichnungen en masse. Steven Spielberg wollte eine TV-Serie im Stil der Monkees mit ihnen drehen, Gaz bekam ein Angebot als Unterhosenmodell für Calvin Klein, und das britische Musikmagazin „Vox“ fertigte gar eine Cartoon-Serie über die drei Grünschnäbel an. Soviel Rummel nach nur einem Album? Doch was Danny, Gaz und Mickey mit IN IT FOR THE MONEY (frei nach Frank Zappa) vorlegen, hat nicht nur Hand und Fuß, sondern auch Klasse. Supergrass wenden sich ab von den quietschfidelen Teen-Hymnen ihres Erstlings, um sich einem erwachsenen, versierterem Sound zu widmen. Und der führt sie direkt in die Seventies. Vom grandiosen Titelstück, das an Bowie oder auch Queen erinnert, über die Stooges-Adaption „Richard III“, das Pink Floyd-mäßige „Late In The Day“, den Beatles-Verschnitt „G Song“, das Who-Rip Off „Sun Hits The Sky“ bis hin zum grandiosen „Cheapskate“ (Textzeile: „If you like me, you can buy me and take me home“). Überhaupt schreiben die Drei große Pop-Epen, unterstreichen ihre musikalischen Ambitionen mit einer lupenreinen Produktion und bestechen durch Moogs, Bläser, mehrstimmigen Harmoniegesang und eine human beatbox (in „Sometimes I Make You Sad“). „Wir wollten auf keinen Fall ein zweites Album nur mit Gitarre, Bass und Schlagzeug aufnehmen – das überlassen wir lieber Kula Shaker“, ereifert sich Gaz. „Uns ging es vielmehr darum, ein bißchen Abwechslung ins Spiel zu bringen. Insofern gab es auch keine Grenzen – alles schien möglich.“ Dabei hat IN IT FOR THE MONEY einen ähnlichen Effekt wie das dritte Tor von Wembley anno ’66 oder die Scheidung von Charles und Diana – es wird über Jahrzehnte hinweg Bestandteil jeder abendfüllenden Konversation sein. Und das nicht nur im Lande von Fish & Chips…