All That Jazz
Der eine macht sich im vornehmen New Yorker Lincoln Center auf die Suche nach den Jazz-Roots, der andere reist mit seinem Musikantenstab rund um den Globus, um das Terrain afro-amerikanischer Klangstrukturen zu erkunden. Die Rede ist zum einen von Wynton Marsalis, dem Steve Coleman als lohn Coltrane der 90er Jahre gegenübersteht. Denn der M~Base-lnitiator, Saxophonist und Multi-Rhythmiker Coleman will nicht einfach die Partituren mit dem New Orleans-Copyright herunternudeln, um der Black Community ein Identifikationsmodell zu liefern. Für ihn sind hierfür statt dessen die weltweit verstreuten Rhythmen geeignet, die er mit seiner Spürnase zu einem historisch gefestigten Ur-Modell festigen möchte. THE SIGN AND THE SEAL (BMG 74321 407272) 6 ist die Dokumentation der ersten Expeditionsstation Kuba, die Coleman mit seiner Mystic Rhythm ^nriot/ aiifcnrhta Mit Aon [ooandären Sounds von Charlie Parker und Mario Bauza im Gedächtnis, arbeitete Coleman 12 Tage lang mit den Stars der kubanischen Folkore, den Matanzas, und legte Funk, Rap, HipHop an die spirituell motivierten Riten-Gesänge. Von kulturübergreifenden Ausflügen in dieser Konsequenz ist Branford Marsalis zwar noch weit entfernt, aber für Überraschungen dennoch gut. Mit Bassist Reginald Veal und Drummer Jeff „Tain“ Watts zelebriert er auf THE DARK KEYS (Sony 486668 2) 4 den ungestümen Geist der 60er, als Hard Bop zum Experimentierfeld wurde. Die Kompositionen, bis auf’Blutain‘ allesamt aus der Marsalis-Produktionsschmiede, sind somit ausufernd luxuriöse Attacken, die sich unmerklich aufschwingen zu einem herben Instrumentalgewitter, bei der Versöhnlichkeit nicht über besinnliches Tete-a-tete abläuft. Eher kristallieren sich in den gehetzt wirkenden Side-by-side-Soli Klangfarben heraus, die sich zu einem prismatisch schillernden Juwel zusammenschmiegen. Wahrlich ohrenöffnend! Wesentlich durchsichtiger, aber energetisch nicht minder auf höchster Genußstufe ist das Aufeinandertreffen von Jung & Alt in Form von OSCAR PETERSON MEETS ROY HAR-GROVE AND RALPH MOORE (Telarc 83399) © © © © ©. Der kanadische Jungbrunnen Peterson läßt trotz seiner 71 Lenze das Mausen nicht, will sagen: niemand macht ihm so schnell was vor, wenn es um die delikate, von sportlicher Spiellaune getriebene Umsetzung der zum Teil neuen Standards aus der eigenen Feder geht. Während im Hintergrund der unermüdlliche Bassist Niels-Henning Orsted Pedersen stoisch bravourös seine Lines zieht und Lewis Nash an den Drums unspektakulär den Takt-Navigator erfüllt, lassen die zwei Youngster Hargrove (tr) und Moore (sax) mit Oscar die Fifties auferstehen, in denen nach Herzenslust dem Blues mal cool, mal swingend Beine gemacht wurde.
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