Johnny Cash :: Unchained
Ausgerechnet Ween haben es den schmierigen Country & Western-Schlaffis der 90er vorgemacht. Zwei Greenhorns spielen auf ’12 Golden Country Greats‘ Katz und Maus mit den Insignien des traditionsreichen Nashville-Sounds, der von seelenlosen Fließband-Arbeitern wie Garth Brooks, Wynonna, Dwight Yoakam oder Hank Williams Jr. dominiert wird. Die alte Garde um Waylon Jennings, Willie Nelson oder Johnny Cash hingegen gilt längst als Wegbereiter der gegenwärtigen Alternative-Bewegung. Davon zeugen Jennings Gastspiele auf den ’96er Lollapaiooza-Festivals, Nelsons ‚Twisted Willie‘-Tribut oder Cashs Liaison mit American Recordings-Boss und Star-Produzent Rick Rubin. Für Cash, das unverwüstliche Urgestein, das weder Drogen, Alkohol noch lange Jahre der Funkstille aus der Bahn werfen konnten, ein echter Glückgriff: „Dieses Album aufzunehmen, war das schönste Erlebnis, das ich jemals mit einem Produzenten hatte“, betont Cash. „Es reflektiert die intensive Beziehung zwischen Rick und mir.“ Schon Cashs ’94er American-Einstand war ein Meilenstein. Jetzt besinnt sich der Mann in Schwarz erneut seiner Stärken – vokal und instrumental. UNCHAINED, eingespielt mit Tom Petty & The Heartbreakers, Flea (Chili Peppers), Mick Fleetwood und Lindsey Buckingham (Fleetwood Mac), ist ein tieftrauriges Meisterwerk. Das liegt in erster Linie am beeindruckenden Spielwitz des Meisters und der erstklassigen Songauswahl, die viel wagt und alles gewinnt. Seit 40 Jahren und fast 100 Alben immer auf der Höhe der Zeit, vergeht sich die Legende nicht etwa an verstaubten Traditionais, sondern intoniert Becks ‚Rowboat‘, Soundgardens ‚Rusty Cage‘, Spains ‚Spritual‘, Dean Martins ‚Memories Are Made Of This‘ oder Tom Pettys ‚Southern Accents‘. Und diese Cover setzt Cash so countryesk in Szene, daß man das Original oft erst am Refrain erkennt. Das gilt vor allem für seine Version von ‚Rusty Cage‘: „Ich wußte Anfangs gar nicht, wie ich das überhaupt singen sollte“, gesteht Cash. „Aber Rick machte es mir vor, und so nach und nach wurde mir klar, daß ich es sehr wohl als Folk-Song interpretieren könnte. Gerade wegen des Textes ich habe mich richtig in ihn verliebt. Er begann, einen Sinn für mich zu machen, auf meine eigene Art und Weise.“ Doch auch ‚Sea Of Heartbreak‘, ‚The One Rose‘, ‚I Never Picked Cotton‘, Tve Been Everywhere‘ oder das Titelstück sind – wenngleich nicht aus seiner Feder- Cash pur: Herzschmerz, Einsamkeit, endlose Trips durch die Weiten der USA und das Wort des Herrn. In seinen drei Eigenkompositionen ‚Country Boy‘ , ‚Mean Eyed Cat‘ und ‚Meet Me In Heaven‘ schwärmt Johnny in erster Linie von der Liebe, dem Landleben und den wahren Werten des Cowboytums. Eine kleine heile Welt, durchsetzt von bedrückender Melancholie, weiser Lebenserfahrung und aufrichtiger Liebe. Spektakulär unspektakulär und von ergreifender Schlichtheit – die vielleicht wichtigste, auf ihre Weise originellste Platte dieses Jahres. „You can take the boy out of the country, but you can’t take the country out of the boy.“ Darauf einen doppelten Jack Daniels!
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