The Beatles :: Anthology 3

Das Ende der musikalischen Geschichtsstunde: Mit ANTHOLOGY 3 liegt der letzte Teil der Beatles-eigenen Vergangenheitsbewältigung vor —- auf zwei CDs mit 50 Tracks (teilweise unveröffentlicht, Alternativ-Versionen und Demo-Takes) aus der Spätphase von Mitte 1968 bis Ende 1969. Bevor sich die Fab Four am 30. Mai 1968 ins Studio 2 der EMI in der Londoner Abbey Road begaben, um mit den Aufnahmen jener Songs zu beginnen, die ein halbes Jahr später auf dem Doppelalbum THE BEATLES veröffentlicht werden sollten.

nahmen sie in George Harnsons Bungalow in Esher, Surrey, ein paar Demos auf. ANTHOLOGY 3 bietet sechs dieser grobkörnigen Homerecordings: ‚Mean Mr. Mustard‘, ‚Polythene Pam‘, ‚Glass Onion‘, ‚Piggies‘, ‚Honey Pie‘ und ‚Junk‘. Letzterer Song sollte zwei Jahre später auf Pauls erstem Soloalbum MCCARTNEY auftauchen. ANTHOLOGY 3 ist das Album des George Harrison — obwohl nicht einmal 20 Prozent der Songs auf sein Konto gehen. Die Beiträge McCartneys sind eher guter Durchschnitt, und John Lennon hatte sich damals bereits mehr auf Yoko Ono und seine kommende Solo-Karriere konzentriert als auf die Beatles. Harrisons Songs gerade in der Spätphase der Beatles sind von einer unglaublichen Präsenz und Qualität. Sie stellen oftmals die Bemühungen der Herren Lennon/McCartney in den Schatten. Allen voran ‚While My Guitar Gently Weeps‘, hier in der legendären Akustik-Fassung zu hören: George Harrison singt zur eigenen Gitarrenbegleitung, die am Ende von dezentem Orgelspiel unterstützt wird — der klassische Gänsehautsong. Oder ‚Not Guilty‘, ein fertigproduzierter HarriSong, der es nicht aufs „Weiße Album“ geschafft hat, dann aber 1979 in einer langsameren Fassung auf dem Solo-Werk GEORGE HARRISON auftauchte. Höhepunkt und Zeugnis für die Klasse des Songschreibers Harrison sind drei Demos aus den Abbey Road-Studios vom 25. Februar 1969, Harrisons 26. Geburtstag: ‚Old Brown Shoe‘, ‚Something‘ und ‚All Things Must Pass‘ als simple aber höchst einfühlsam dahingehauchte Songskizzen mit Gitarre und Klavier. Die einzige, bislang unveröffentlichte Lennon-Aufnahme auf ANTHOLOGY 3 ist ‚What’s The New Mary Jane‘, ein wenig inspirierter, freiformaler Song, der eine ungute Drogenerfahrung darstellen soll — irgendwo zwischen ‚Revolution 9‘ und ‚You Know My Name (Look Up The Number)‘ angesiedelt. Paul McCartneys Betrag ist größer — zumindest quantitiv: ‚Teddy Boy‘ bietet McCartney-typisches Sing-A-Long, später auf seinem ersten Solo-Album zu hören. ‚Come And Get It‘ ist ein in weniger als einer Stunde aufgenommenes Demo für die Apple-Band Badfinger, bei dem Paul sämtliche Instrumente spielt. ‚Let It Be‘ und ‚The Long And Winding Road‘ gibt es hier erstmals offiziell in den ursprünglichen Versionen, bevor Produzent Phil Spector seinen „Wall Of Sound“ auf den Songs errichtet hat. Noch bemerkenswert: ‚Step Inside Love‘, das Paul für Cilla Black geschrieben hatte, und ‚Los Paranoias‘ ein Song, der wahrscheinlich witzig gemeint ist, seine Wirkung aber leider verfehlt. Einziges Tribut an die GET BACK-Sessions: das Rock’n’Roll-Medley mit ‚Rip It Up7 ‚Shake, Rattle and Roll’/’Blue Suede Shoes‘. Und der letzte Song auf dem letzten Teil der Beatles-ANTHOLOGY ist einer der letzten Songs, den die Beatles überhaupt aufgenommen haben: ‚The End‘. Treffend.

LET IT BEAT

Zehn Stunden Beatles am Stück: ‚The Video Anthology‘

Beatles total: Fünf Stunden der BEATLES VIDEO ANTHOLOGY waren bereits im vergangenen Jahr im ZDF zu sehen. Jetzt, in der konsumfreundlichen Vorweihnachtszeit, gibt’s die gestreckte Version mit acht Videos und einer Gesamtlaufzeit von über zehn Stunden in einer Box zu kaufen (ca. 250,- DM). „Die TV-Dokumentation war die Single, die ‚Video Anthology‘ ist das Album“, meint Producer Chips Chipperfield. Und was für ein Album, leder Teil des Sets beleuchtet einen ganz bestimmten Zeitraum in der Historie der Beatles. Video 1 die Jahre 1940 bis Anfang 1963, die Videos 2 bis 8 jeweils ein Jahr der Fab Four-Karriere bis zu deren Ende 1970. Das Set mit teilweise unveröffentlichtem Filmmaterial, viel Musik und aktuellen Interviews mit McCartney, Harrison und Ringo, läßt keine Wünsche und Fragen zu den Beatles offen. Daß damit — bzw. der im Herbst 1997 erscheinenden Anthology in Buchform — der endgültige Schlußstrich unter das Kapitel Beatles gezogen wird, glaubt zumindest Derek Taylor, der Pressesprecher der Beatles, und verweist somit Fan-Träume wie das „White Album“ in einer Unplugged-Version ins Reich der Legende. Aber wer weiß, was da noch alles kommen wird. Denn selbst der Beatle sagt ja: Tomorrow Never Knows…