Soundgarden :: Down On The Upside

BADMOTORFINGER bedeutete 1991 den Ausbruch aus dem Grunge-Ghetto, SUPERUNKNOWN zwei Jahre später den Durchbruch bei einem aufgeschlossenen Mainstream-Publikum. Soundgardens Meisterwerk war und ist alles: Platte des Jahres, Megaseller und heute schon ein Klassiker. Da durfte man beim Gedanken an den Nachfolger vor Aufregung schon feuchte Hände bekommen. Würde der Vierer aus Seattle diesen Standard zumindest annähernd halten können oder sollten die Kritiker Recht behalten, die der Band angesichts teils desolater Konzerte ein baldiges Ende prophezeiten? Ausgebrannt sollen sie sein, lustlos, ohne Feuer. Was für die Bühne zutraf, galt gewiß nicht für das Studio: Hier haben Chris Cornell und Co. neue Maßstäbe in der Rockmusik der Neunziger gesetzt. Kaum zu glauben, aber wahr: Ihr neues Werk schafft es sogar, SUPERUNKNOWN zu toppen. Die 16 Stücke setzen eine Energie frei, mit der man eine mittlere Großstadt ein Jahr lang versorgen könnte. Vom ersten Ton des lärmigen Openers ‚Pretty Noose‘ an wird der Hörer in einen wahren Klangstrudel gerissen, der ihn am Ende, nach der kurzen Psychedelic-Zeitlupen-Exkursion ‚Boot Champ‘, erschöpft nach Luft schnappen läßt. Auch wenn das Quartett zwischendurch für kurze Zeit den Dampf etwas zurücknimmt (‚Dusty‘), birst ihre Musik schier vor Druck, und vermutlich würde sich kein Mensch wundern, wenn sich diese CD nach dem ersten Hördurchgang selbst zerstören würde. Chris Cornell kreischt und röhrt wie im Fieberwahn, Gitarrist Kim Thayil tritt das Wah-Wah-Pedal durch und läßt dabei Soli zwischen Feedback und Melodie ab, die einem die Haare zu Berge stehen lassen, während das Rhythmus-Kraftwerk mit Matt Cameron am Schlagzeug und Ben Sheperd am Bass die beiden Frontmänner unablässig unter Strom setzt. Midtempo-Stücke wie ‚Rhinosaur‘ oder ‚Tighter & Tighter‘ wälzen sich dahin wie ein glühender Lavastrom. ‚Ty Cobb‘, ‚No Attention‘ oder ‚An Unkind‘ kommen rasend wie eine Feuerwand daher, ‚Zero Chance‘ oder ‚Blow Up The Outside World‘ sind majestätisch-erhabene Balladen, die wie ein Zeppelin am Himmel dahinzuschweben scheinen, wobei das Luftschiff spätestens bei den aufrührerisch-kreischenden Refrains in wilde Turbulenzen gerät. ‚Applebite‘ gerät ihnen zum ‚Interstellar Overdrive‘ mit verhalten-atmosphärischen Klängen und Vocals wie Beschwörungsformeln aus dem Cyberspace, während bei ‚Bürden In My Hand‘ Akustikgitarren powern. Alle Vergleiche mit Led Zeppelin oder den Stooges sind mittlerweile obsolet. Soundgarden stehen längst für sich, wie ein Fels in der Brandung.