Cracker – The Golden Age
Oh mein Gott. Crackers neues Werk THE GOLDEN AGE ist ein heftiger Anschlag auf jeden Seelenzustand, sei der nun gefestigt oder wegen aktueller Verwundungen sowieso labil und angefressen. Derart tieftraurige Folk-Balladen durften wir – neben angenehm vorwärtspushendem Folkpop – schon seit langem nicht mehr vernehmen, vielleicht seit Neil Youngs HARVEST MOON nicht mehr. Schneuztücher sind das mindeste, was man empfehlen muß bei vollständiger Anhörung des dritten Cracker-Albums, um nicht zur Gänze in den Fluten von Rotz und Wasser zu versinken. Wehe, wehe: All die unglücklichen Liebschaften! All die verlorenen Fußballspiele! All die eingestürzten Käsesouffles! Die Band um den ehemaligen Camper Van Beethoven-Chef David Lowery holt jede einzelne Erinnerung schmerzhaften Verlustes an die Oberfläche, und besänftigt dann das Gemüt wieder ein bißchen mit flockigem Country-Pop. „I really must confess: I like to get undressed with you“, sagt Lowery, und wir glauben dem Kalifornier das gerne, weil ein Mann von derart ausgebuffter Gefühlstiefe derlei gemeinsame Unangezogenheiten auch verdient hat. In der Fraktion der neuen US-Country-Folker mit rockigem Einschlag gehört Lowery sowieso schon seit einem Jahrzehnt zu den ganz Großen, und mit THE GOLDEN AGE haben er und seine Mitstreiter lohn Hickman, Charlie Quintana und Bob Rupe, der auch schon bei den legendären Silos zugange war, keine Erwartung enttäuscht. Abgesehen von den wirklich knietiefen Balladen hoppeln viele Songs angenehm durch das weite Feld des Fingerpickings, der Steelgitarre und des beseelten Chorgesangs. Wer sich gerne mit Menschen umgibt, die nach Sätteln riechen, ist da schon mal ganz gut bedient. Und für alle anderen gilt: Keine Panik vor Gefühlsuntiefen – es muß ja nicht immer gleich gar so kitschig werden wie beim Rausschmeißer ‚Bicycle Spaniard‘.
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