Skunk Anansie – Paranoid And Sunburnt
Skunk was? Skunk Anansie. A-N-A-N-S-I-E! Das Info der Plattenfirma klärt uns auf, daß es sich hierbei um ein jamai- kanisches Fabelwesen handelt. Egal. Denn sobald die ersten Takte des Openers ‚Selling Jesus‘ aus den Boxen dröhnen, versteht man sein eigenes Wort eh‘ nicht mehr. Das engli- sche Quartett bolzt derart drauflos, daß ei- nem schon nach wenigen Takten der Schweiß auf der Stirn steht. Frontfrau Skin singt nicht, sie spukt die Wörter aus wie ei- ne Uzi. Die Gitarre von Ace ist offensichtlich nicht an einen gewöhnlichen Verstärker, sondern an das Triebwerk eines Düsenjägers angeschlossen. Bassist Cass benutzt anstatt normaler Saiten augenscheinlich vier finger- dicke Stahlseile und Schlagzeuger Mark drischt offenbar mit Baseball-Schlägern auf die Felle ein. Dabei springen Skunk Anansie erfreulicherweise nicht auf den (abgefahre- nen) Crossover-Zug auf, sondern bewegen sich ausschließlich zwischen den Pol Rock, Funk und Metal. Ihre Energie ziehen die Songs nicht aus der Geschwindigkeit, sondern aus einem atemberaubend kom- pakten Sound, der den Zuhörer trifft wie ein rechter Aufwärtshaken von Mike Tyson. Da muß ein Könner am Mischpult hantiert ha- ben. Ein kurzer Blick aufs Cover bestätigt die Vorahnung: Kein geringerer als „Mr. BadReli- gionFaithNoMoreNirvana“ Andy Wallace komprimierte den dichten Sound der Band, die bereits fünf Monate nach Gründung im Februar ’94 einen Major-Deal in der Tasc hatte, zu einem beeindruckenden Sound- Massiv. Elf Songs lang. Angefangen bei be- sagtem ‚Selling Jesus‘, einer drastischen Ab- rechnung mit bigotten Spießern, über ‚Intellectualise My Blackness‘, einer nicht minder harschen Tirade gegen den um sich greifenden „Political Correctness“-Übereifer bis hin zu dem verstörenden ‚100 Ways To Be A Good Girl‘, in dem Sängerin Skin ihre persönlichen Erfahrungen als lesbische Schwarze in einem Land, daß massiv mit ei
ner aktiven Rechten zu kämpfen hat, verarbeitet. Charakteristisch für alle Songs ist der ungemein intensive Gesang, der ein ähnliches Gefühl verbreitet wie ein Eiswürfel, der dem Zuhörer langsam den Rücken hinunterläuft. Die Stimme von Skin, jener Sängerin, die sich schon mal in T-Shirts mit der Aufschrift „Clit Pop“ fotografieren läßt, ist es dann auch, die die Ballade ‚Charity‘ so atemberaubend macht – ein Track, der ebenso gut aus einer gemeinsamen Session von P) Harvey und Metallica stammen könnte. Einen weiteren Höhepunkt von PARANOID AND SUNBURNT (der Titel entstand beim Glastonbury Festival, als zwei Mitglieder der Band auf Acid waren, während die anderen beiden in der Sonne eingeschlafen waren) bildet die Single ‚I Can Dream‘. Ein lupenreiner Poprefrain kombiniert mit einem Phonsturm, der sowohl Nachbarn als auch die Anzeigen der heimischen Stereoanlage permanent im roten Bereich hält. Oder wie Skin sich auszudrücken pflegt: „Das Stück ist wie schmutziger Sex in einer Seitenstraße des Astoria-Clubs, wo gerade jemand neben dich hingepisst hat.“ Aha.
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