TheDoDo im Interview: „Die Zielgruppe im Rap wird immer und immer jünger“
Mit „Endorphine“ und über 2 Millionen Klicks auf YouTube wurde TheDoDo über Nacht zum Star. Warum er diesem Ruhm nicht nachjagen will, obwohl er das Erfolgskonzept kennt, erzählt er uns in seinem ersten Interview überhaupt.
Seine Jugend fühlt sich rückblickend an, als wäre er die Inkarnation des flugunfähigen Vogels Dodo gewesen. All seinen Mut zusammen genommen traf TheDoDo, der damals noch Dominic Seifert hieß, 2019 die Entscheidung, mit einem Koffer in der einen und 800 Euro Bargeld in der anderen Hand nach Berlin zu gehen. Er wollte sein altes Leben, in dem niemand an seine Musikkarriere glaubte, hinter sich lassen.
Fünf Monate überlebte der damals 24-Jährige in der Großstadt. Zurück in der Heimat Stuttgart ließ den geborenen Neu-Ulmer die Musik nicht los und dann der Durchbruch. Über 2 Millionen Klicks auf YouTube – im Frühling 2020 stand TheDoDo an der Spitze. Von einem Tag auf den anderen herrschte danach plötzlich Stille, auch sein Instagram-Account war deaktiviert. Im Oktober meldete sich der selbst ernannte Goa-Rapper mit einem fast schon philosophischen Track zurück. Warum ihm die vergleichsweise „schlechteren Zahlen“ nichts ausmachen, wie Deutsch-Rap auf die Jugend von heute einwirkt und welchen Stellenwert Psytrance in seiner Musik noch immer einnimmt, davon erzählt er im Interview. In seinem ersten überhaupt.
Musikexpress.de: Verglichen mit deinem Durchbruch-Song „Endorphine“ hinkt deine aktuelle Single zahlenmäßig noch hinterher. Hast Du manchmal Angst, mit „Endorphine“ zum One-Hit-Wonder geworden zu sein?
TheDoDo: Ich habe keine Angst, sondern viele starke Songs in der Pipeline, von denen ich mir sicher bin, dass sie ankommen werden. Als ich „Niemand hat mehr Bock“ im vergangenen Jahr rausbrachte, hatte ich zuvor ein halbes Jahr lang keine Musik veröffentlicht, dementsprechend still war es um mich geworden. Warum der Song nicht so durch die Decke gegangen ist, liegt vielleicht daran, dass er für die Zielgruppe zu viel Input hatte. „Endorphine“ prägt sich im Vergleich zu tiefgründigeren Texten leichter ein und bleibt auch länger.
„Ich werde mich nicht damit brüsten, jetzt womöglich noch ein cooler Drogen konsumierender Rapper zu sein“, sagt TheDoDo über die Verherrlichung von Stereotypen im Deutsch-Rap.
„Eine Gefahr der Gesellschaft ist der Reiche, der arm ist, oder der Arme, der Geld hat.“ Solche allgemeinen Formulierungen triffst Du in „Keiner hat mehr Bock“ überraschend häufig. Wo siehst Du Dich in dem Song?
Ich habe aus der Sicht einer dritten Person versucht, die Welt zu betrachten und die Dinge anzusprechen, die mir im Kopf kreisen.
Und wieder rappst Du über den Konsum von Drogen. Wie viel wiegt das in der Gesellschaft, im Rap und in Deinem Umfeld?
Viele Menschen um mich herum, gerade in der Branche, konsumieren Drogen. Ich habe selbst auch schon zur Droge gegriffen, das ist aber Gott sei Dank vorbei. Der Einfluss von Social Media bringt vor allem Jugendliche auf den Trip, so wie ihre Idole sein zu wollen. Dazu trägt Deutschrap auch seinen Teil bei. So fängt man schon in jungen Jahren mit dem Kiffen an und hält sich für cool. Viele meinen, sich mit Drogen helfen zu können, aber irgendwo bewirken sie schon eher das Gegenteil. Ich für meinen Teil habe den Konsum immer problematisiert, im Song „Endorphine“ dient mir die Droge sogar eher als unzureichender Vergleich zu jenen Glücksgefühlen. Natürlich werde ich weiterhin darüber singen und rappen, mir aber treu bleiben und mich nicht damit brüsten, jetzt womöglich noch ein cooler, Drogen konsumierender Rapper zu sein.
„Ich bin keine Kunstfigur, sondern eine Persönlichkeit.“
Im Gegensatz zu „Endorphine“ ist der Track textlich dichter, wechselt zwischen den Beats und gibt Deiner Stimme mehr Raum. Wie kam es dazu, so vieles an Deinem Stil zu verändern?
Mein Hype kam durch „Endorphine“, im Prinzip durch Goa-Rap. Als Künstler will ich mich darauf aber nicht versteifen und lieber vielfältig bleiben. Goa-Rap wird in jeden Song einfließen, doch ich entwickele mich musikalisch auch weiter. Ich kann mehr, als monoton über einen Beat fliegen, und werde 2021 noch mehr zeigen, was in mir steckt. Mit Weiterentwickeln meine ich nicht, dass ich dem Genre den Rücken zukehren will. Die Musikrichtung Elektro ist so breit gefächert, und dennoch kam für mich irgendwann der Punkt, an dem sich alles gleich anhörte. In Zukunft will ich weiterhin Psytrance mit anderen Richtungen mixen. Neben Balladen, bei denen die Bässe in den Hintergrund geraten, wird Goa immer ein Teil von mir bleiben. TheDoDo ist Goa-Rap.
Schon in der Bridge zum Song „Komm Mit“ schlägst Du eher gesellschaftskritischere Töne an, in dem Du dem Statussymbol Rolex den Wert absprichst. Was war der Gedanken dahinter?
Die Zielgruppe im Rap wird immer und immer jünger. Sie machen sich viel weniger Gedanken über die großen Probleme der Gesellschaft. Heutzutage interessiert man sich eher für dicke Autos, Drogen und Markenklamotten. Mit meinem Auftreten will ich dementgegen zeigen, dass ich keine Kunstfigur, sondern eine Persönlichkeit bin. Es gibt schon zu viele Rapper, die die Jugend von heute zu stark beeinflussen. Wenn ich heute an meinen Kindheit denke, dann bin ich nach der Schule auf den Bolzplatz und am Abend mit zerrissenen Hosen heim. Niemanden hat es interessiert, von welcher Marke meine Klamotten waren.
„Wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, dann war ich mit Anfang 20 schon depressiv“, offenbart TheDoDo zu seiner aussichtslos erscheinenden Jugendzeit.
Im selben Song heißt es auch: „Wenn ich sage ‚fuck the system‘, dann mein ich nicht die Politik.“ Ist das als eine Absage an politische Tracks zu verstehen?
Damit wollte ich ausdrücken, dass ich anders bin und entgegen aller anderen mein Ding durchziehe. Ich wusste schon früh, dass ich Mucke machen will. Man sagte mir damals, ich solle eher eine Ausbildung anfangen. Nach mehreren abgebrochenen Versuchen habe ich mich durchgesetzt und bin endlich meiner Passion gefolgt. Solange ich den Glauben an mich selbst nicht verliere, werde ich damit erfolgreich. Ich bin kein Musiker, der mit politischen Äußerungen Aufstände anzetteln will. Wenn ich mich politisch äußere, versuche ich es so zu verpacken, dass auch die jüngeren Leute es verstehen.
Von Anfang an bist Du dennoch mit sehr persönlichen Texten aufgefallen. In Songs wie „Irgendwann sortierst du aus“, „Schloss“ oder „Froh, dass du weg bist“ thematisierst du Deinen Umzug nach Berlin, Liebeskummer und falsche Freunde. Welchen Platz nehmen diese Themen bei Dir heute noch ein?
Dinge, die mich persönlich bewegen, werden auch weiterhin eine große Rolle in meiner Musik spielen. Wie ich schon sagte: Ich bin keine Kunstfigur, sondern eine Persönlichkeit. Dementsprechend werden die Dinge, die ich erlebt habe, immer wieder in meine Musik einfließen. Bis vor einem Jahr hing ich aber schon fast zu stark an der Vergangenheit. Wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, dann war ich mit Anfang 20 schon depressiv. Nun bin ich froh, dass mir Dinge widerfahren sind, sonst hätte ich vielleicht nichts, was ich den Menschen erzählen könnte.
„Im vergangenen Jahr passierte sehr viel, dass die Beziehung zwischen mir und meinem damaligen Produzenten belastete.“
Unter dem Pseudonym TheDoDo machst du seit 2019 Musik. Inwiefern würdest Du jenen flugunfähigen Vogel als Deinen Namensvetter bezeichnen?
Ich war 10 oder 11 und habe damals in unserem großen Garten mit meinen Cousinen ein Zelt aufgeschlagen. Die eine heißt Katharina, und aus Rache, dass ich sie immer KaKa nannte, begann sie, mich DoDo zu nennen. Über die Jahre hinweg hat sich das in meinem Freundeskreis eingebrannt. Dass dieser flugunfähige Vogel zu mir wie die Faust aufs Auge passt, ist mir erst recht spät aufgefallen. Im Prinzip habe ich mich meine komplette Jugend über wie ein Vogel gefühlt, der nicht fliegen konnte. Fliegen, das ist für mich Musik machen.
Die Songs „Komm Mit“ und „Endorphine“ entstanden zusammen mit deinem Ex-Produzenten. An all Deine älteren Songs habt ihr auch gemeinsam gearbeitet. Seit dem Produzentenwechsel steht Dein Name nicht mehr drunter. Hast Du die Rechte an den Songs verloren?
Wir haben die Songs unter uns aufgeteilt. Im vergangenen Jahr passierte sehr viel, das die Beziehung zwischen mir und meinem damaligen Produzenten belastete. In dem ich ihm die Songs überließ, wollte ich mit der Sache abschließen und verhindern, diesem Menschen zu viel Bühne zu geben. Irgendwo sehe ich die Tracks aber noch als meine an, denn ich hab sie ja geschrieben und in ihnen auch gewisse Dinge verarbeitet. Für mich reicht es zu wissen, dass ich das bin und meine Fans werden sie auch nicht vergessen. Viele verstehen vielleicht nicht, warum ich die Songs an meinen Ex-Produzenten abgegeben habe, mit der Zeit werden sie es aber hoffentlich.
„Die Welt soll mich annehmen, so wie ich bin“, so der 25-Jährige über den Erwartungsdruck auf Social Media.
Auf Instagram teaserst Du seit Tagen neue Musik an. Kommt nun endlich die langersehnte EP?
Seit über einem Jahr werde ich nach größeren Projekten gefragt, für mich ist es eine Erleichterung, meinen Fans nun endlich dergleichen geben zu können. Ich habe vor, noch Anfang des Jahres eine EP rauszubringen, kann aber leider noch kein genaues Datum nennen. Dafür sind die Songs allesamt aber schon fertig produziert und werden nun Monat für Monat veröffentlicht.
Wie wichtig ist es Dir, Dich als Künstler über Social-Media-Plattformen wie Instagram, aber auch TikTok in gewisser Weise dazustellen?
Ich bin eigentlich nicht der Mensch, der gern vor der Kamera steht und schauspielert. Leider ist es heutzutage so, dass man nicht mehr drum herum kommt. Was Social Media angeht, ist TikTok die Zukunft – zwar sehr schnelllebig, aber dafür erreicht man so viele Menschen. Nach meiner Social-Media-Pause versuche ich nun mehr, aktiver zu sein, aber auf meine Art. Ich will mich nicht für Clicks oder Likes verbiegen. Die Welt soll mich annehmen, so wie ich bin. Als ich für ein halbes Jahr aus der Social-Media-Bubble verschwand, war ich mental ganz tief gesunken. Zu dieser Zeit erreichte mich ein Anruf und plötzlich war ich in Berlin beim wahrscheinlich erfolgreichsten Label unter Vertrag. Ich musste in dem ganzen Trubel an neuer Musik arbeiten und abliefern. Gerade aus diesem Grund hatte ich beschlossen, meine Chance zu nutzen und mich ins Studio zurückzuziehen.
@itsthedodoWarum hast du den blauen Haken ? 🙄 ##fy ##fyp ##endorphine ##thedodo♬ Endorphine – TheDoDo
„Für Newcomer ist es gerade nicht leicht, durchzustarten.“
Wenn Du im Anschluss an die EP an Live-Auftritte denkst, siehst Du Dich eher im Club oder auf Konzerten?
Meine Musik ist sehr club-tauglich und auf solche eine Location hätte ich auch mega Bock. Wäre Corona nicht, stünde ich jetzt als Vorgruppe mit Bausa auf der Bühne. Es wäre meine erste Tour gewesen und so hoffe ich inständig, dass sich der Trubel legt und wir gegen Herbst wieder zur Normalität zurückkehren können. Für Newcomer ist es gerade nicht leicht, durchzustarten, denn vor allem im Live-Geschäft erreicht man die Leute. Auf der Bühne kann man potentielle Fans anders beeindrucken.
Gäbe es denn noch andere Künstler*innen, mit denen Du gern gemeinsam auf der Bühne stehen würdest?
Ohne wie ein Fan-Boy zu klingen, für mich war Bausa zuletzt der deutsche Künstler, der mich mit am meisten geprägt hat, und dessen Lieder ich mir zu jeder Tageszeit anhören konnte. Er legt viel Wert auf Kunst und das beeindruckt mich. Ansonsten höre ich momentan so gut wie gar keine Musik, weil ich mich nicht von anderen Musikern beeinflussen lassen möchte. Natürlich würde ich nicht nein sagen, wenn eine Deutschrap-Legende wie Kool Savas oder Sido auf mich zukommen würde. Für den Moment will ich aber nicht mehr in Richtung Feature gehen, als die Songs, die gemeinsam mit einem bekannten Künstler entstanden sind und noch in diesem Jahr rauskommen sollen. Im Allgemeinen bin ich froh, Musik machen zu können – und was sich ergibt, das ergibt sich.
„Groupie“, die jüngste Single des Wahlberliners TheDoDo, erscheint am 14. Januar 2021.