Kraftpaket :: Kompromißlose Töne der dritten Kraft aus Seattle

Soundgarden – Superunknown(Polydor 540 125 1/2)

Als wären die letzten zwei Jahre ein Irrtum gewesen … Die Zeiten, in denen Freunde harter, ehrlicher Musik ihre Vorlieben mit verhuschten Blumen-Kindern im Bravo-Grunge-Outfit teilen mußten. Als man zugeben mußte, daß Nirvana-Refrains bisweilen so süßlich klingen wie ihre Zuhörer/-innen aussehen, und daß man sich mit fünfzehn auch Eddie Vedder an die Pinnwand gepappt hätte. Die Richtigstellung des lederbejackten Weltbilds kommt mit dem neuen Soundgarden-Werk. „Superunknown“, eine Titelwortschöpfung im besten Stil Seattle’s erster Mega-Kraft (vgl. „Ultramega OK“ „Badmotorfinger“), läßt auch inhaltlich nichts zu wünschen übrig. Hier klingt nach wie vor kein Ton aus Versehen nach Massenkonsens. Die Vehemenz, mit der Soundgarden im generalüberholten Markt die ureigene Position festmacht, ist atemberaubend. Das liegt an der ungeheuren Intensität, mit der sich Soundgarden-Riffs in die hinterletzte Hirnwindung schrauben, das liegt auch am mark-erschütternden Organ eines Chris Cornell. Der Mann traut sich wenigstens noch richtig zu schreien, und driftet dabei nicht in undifferenzierte Höhen schaler Metal-Poser ab.

Jene Qualitätsmerkmale ließen sich allerdings bislang bei allen Soundgarden-Veröffentlichungen bewundern. „Superunknown“ geht zudem einen anderen Weg als der Vorgänger „Badmotorfinger“. Differenzierter, experimenteller, weniger komprimiert und dafür freizügiger im Umgang mit vielfältigen Stilmitteln ist dieses vierte Studio-Album des Kompakt-Quartetts voll faszinierender Überraschungsmomente. Soundgarden spielt mit psychedelischen Gefühlen, beweist mit kurzen, harten Statements wie einem 1 1/2-minütigen „Kickstand“ traditionelles Punk-Bewußtsein. Starke Melodien und ruhige Zwischenweisen, die wie „Fell On Black Days“ tatsächlich streckenweise an Pearl Jams beste Balladen erinnern, schüren keine Berührungsängste mehr bei den härtesten Protagonisten der Nord-West-Welie. Doch bevor auch nur ein Song der MTV-Heavy-Rotation nahe kommen könnte, durchbricht konsequent ein aufrührerischer Refrain die Ruhe vor dem Sturm.

Man habe viel experimentiert für dieses Album, war aus Bandkreisen zu vernehmen. Die Operation ist geglückt, „Superunknown“ wirkt nicht zerfahren, unmotiviert oder orientierungslos. Das Ergebnis ist ein kraftstrotzendes Vexierbild voll sublimer Fähigkeiten und hypnotischer Energie. Ein Alptraum für jedes Jugendzimmer, und das ist gut so.