Collins Blick auf seine Seele :: Ehrlich

In der Karriere eines jeden Musikers kommt der Tag, an dem ihm Marktzwänge nichts I mehr bedeuten. Selbstverwirklichung ist angesagt. Für Phil Collins hat diese Stunde nach zwei Jahrzehnten Studioerfahrung geschlagen — eine Tatsache, die er in einem persönlichen Begleittext (seinem ersten) stolz unterschreicht. Noch nie habe ihm eine Produktion so großen Spaß bereitet — verständlich, denn die elf neuen Songs von BOTH SIDES sind allesamt Heimarbeit. Sie basieren auf Demos, die Collins in seiner Fisher Lane Farm im Alleingang zusammenimprovisiert hat.

Herausgekommen ist ein eher zurückhaltendes Werk, auf dem Collins seine ernsthafte, introvertierte Seite präsentiert. Statt selbstzündender Pop-Knaller mit solistischen Glanzleistungen, für die Collins bei früheren Projekten stets hochkarätige Begleiter anmietete, kreiert der multi-instrumental operierende Schlagzeuger diesmal vor allem melancholische Stimmungen — aufbauend auf synthetischen Soundteppichen, deren sparsame Instrumentierung den Demo-Ursprung verrät.

Auch als Texter traut Phil Collins sich heute mehr zu. Er versteckt sich nicht mehr hinter konfektionierten Pop-Reimen, sondern gibt sich selbst preis — nicht nur in Beziehungs-Songs, sondern auch in Stücken wie der Single „Both Sides Of The Story“ oder dem Terrorismus-Opus „We Wait And We Wonder“. Lieder, in denen er sich auf unprätentiöse Weise Gedanken über die sozialen Realitäten der 90er Jahre macht.