Album Nummer 14 der Helden aus Hannover :: Herzlich Hart
Spätestens seit ihrem Megahit .Wind Of Change“ aus dem Millionenseiler CRAZY WORLD können die Hardrock-Exporteure aus Hannover auf ihre Kritiker pfeifen. Egal, was Journalisten zu bekritteln haben — ihr Publikum ist den Veteranen genau so sicher wie weltweite Aufmerksamkeit, wenn sie ein neues Album veröffentlichen.
Mit ihrer 14. LP wenden sich die Niedersachsen ab vom polierten Hochglanz-Rock der 80er Jahre und kehren zu jenem roheren, spontaneren Stil zurück, den sie Ende der Siebziger pflegten. Den furiosen Auftakt zu FACE THE HEAT bilden drei brachiale Mitstampf-Rocker. Songs, die all denen gefallen werden, die mit dem Trend hin zum Crossover-Mefal wenig anfangen können und nur mal wieder kräftig headbangen möchten. Mit „Under The Same Sky“ folgt ein melancholischer Popsong, der die Zeile „why can’t we live as one“ aus John Lennons „Imagine“ aufgreift. Danach gibt’s eine „Unholy Alliance“ — textlich eine Warnung vor dem Rechtsradikalismus, musikalisch ein gewaltiger Kracher. Beim Riff von „Whole Lotta Love“ lassen Led Zeppelin grüßen. „Woman“, die erste Ballade des Albums, -weckt gar Erinnerungen on die Fab Four. Hier wie auf der gesamten LP fällt auf, daß Klaus Meines Stimme rauher klingt als noch vor einiger Zeit. Der Rolle des Heldentenors ist er wohl überdrüssig.
Den zweiten Teil von FACE THE HEAT eröffnet „Taxman Woman“, ein Titel mit Pop-Appeal, in dem die prominenten Steuerzahler mit augenzwinkernder Ironie ihrem Ärger über die fälligen Nachzahlungen Luft machen. In „Ship Of Fools“ (wohl in Anlehnung an den Titel bewußt schlicht gehalten) darf Hermann Rarebell — nicht eben ein Revolutionär unter den Rhythmikern — seinem Schlagzeug ungehemmt Saures geben. „Nightmare Avenue“ dagegen glänzt durch überaus geglückte Gitarrenparts.
Seine stärkste Phase erreicht FACE THE HEAT jedoch zum Ende hin. Denn bei aller Liebe der Scorpions zum harten Rock liegt ihre wahre Stärke eben doch in den Balladen — was die letzten drei Songs ihres neuen Albums eindeutig belegen. „Lonely Nights“ zum Beispiel überzeugt durch einen starken Chorus, atmosphärisch dichte Synthie-Untermalung und den effektvollen Fretless-Bass des neuen Band-Mitglieds Ralph Rieckermann.
„Destin“, in dem ein glänzend aufgelegter Klaus Meine den Refrain in Französisch anstimmt, geriet zu einer wundervollen Ballade, der ein Akkordeon die Stimmung eines Chansons verleiht. In .Daddy’s Girl“ schließlich, dem letzten Song des Albums, greift Meine ein derzeit vieldiskutiertes Thema auf: den sexuellen Mißbrauch von Kindern. Mit großem Einfühlungsvermögen interpretiert, ist dies vielleicht das bewegendste Lied, das die Scorpions jemals geschrieben haben.
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