Bobby McFerrin – Medicine Music

Als der Sänger Bobby McFerrin 1984 darauf bestand, seine Europa-Tournee ohne einen einzigen Begleitmusiker zu absolvieren, provozierte er bei den Veranstaltern noch große Skepsis. 1990 dagegen ist die reine vokale Musik fast schon etabliert: Zwar sind Gruppen wie die Flying Pickels oder die Nylons fast schon wieder vergessen – aber Acappella-Ensembles wie Ladysmith Black Mombazo, die Voix Bulgares oder Take 6 haben viel Zulauf.

Und Bobby McFerrin? Der nahm seinen Überraschungserfolg mit „Don’t Worry, Be Happy* mitnichten zum Anlaß, daraus eine Masche zu stricken. Hotte er sich in den frühen 80er Jahren erfolgreich dagegen gewehrt, als .neuer AI Jarreau“ gestylt zu werden, so verfolgt er nun auch unbeirrbar und konsequent seinen geradezu missionarischen Auftrag weiter: ,Was kann der Klang von Stimmen alles in Bewegung setzen?“

Aber MEDICINE MUSIC ist sicher nicht die aufregendste Platte im vielfälligen Repertoire von McFerrin. Nach all den früheren halsbrecherischen Experimenten mit scheinbar mehrstimmigem Gesang und mit Seat-Improvisationen ohne Text singt er nun – gelegentlich vom zehnköpfigen „Voicestra“ begleitet – ganz gelassen Musik mit eigenen Worten, die er bewußt als heilsam für Körper und Seele ansieht. Viele afrikani sehe Elemente erinnern da an Paul Simons GRACELAND, und wer Bobby als Happy-Naivling abstempeln wil, der sollte sich besser vorher die Antithese „Angry“ anhören – Motto: „Love is a battlefield“.

Gospel und Bibelzitate spielen die Hauptrolle – nicht nur wenn Bobbys 70jähriger Vater in „Discipline“ als Vorsänger auftritt. Von bravem Traditionalismus kann dennoch keine Rede sein: In „Yes, You“ geht es um „physical love“, und im „23rd Psalm“ um eine weibliche Gottheit. .Ich will ein reifes Publikum dazu bringen, sich wieder kindlich und spontan zu fühlen“, bekennt McFerrin, und mit sanfter Beschwörungskraft setzt er diese Absicht in Indianer-Gesängen („Medicine Man“) und Kral-Chören um („He Ran All The Woy‘).

Eins ist jedenfalls sicher: Diese Platte liegt jenseits aller kommerziellen Spekulationen. Auch wenn sich intimere Kenner von McFerrins Kunst vielleicht doch ein paar mehr hochambitionierte Arrangements wie in seiner Meisterleistung „The Train“ gewünscht hätten.