Annette Humpe
Solo
Ist es wirklich schon zehn Jahre her, daß jene schräge Combo, die sich Ideal nannte, durch die triste deutsche Pop-Londschaft fegte? Daß die kecke Sängerin im Zweifingersystem ihr Spielzeug-Keyboard bearbeitete und forsch bekannte „Ich steh‘ auf Berlin“? In manchen Momenten scheint Anette Humpes SOLO-Album die Zeit zurückzudrehen: Da haben wir wieder 1980. Da blitzen plötzlich erneut der kokette Wortwitz von Ideal auf, die spröde Laszivität der selbstbewußten Sängerin, der erfrischend unbekümmerte Umgang mit den bunten Wort- und Ton-Hülsen, in die Popmusiker ihre Kreationen immer wieder gerne packen. Aber die Zeiten ändern sich, und deshalb hat sich auch Anette Humpe seit damals verändert. Sie zeigt sich jetzt von ihrer poetischen, träumerischen, bisweilen auch melancholischen Seite, sie sinniert über den Tod und läßt auch mal Gott aufmarschieren. Und das alles verpackte sie in weiche, fließende Arrangements, in denen sanfte Keyboards dominieren und Gitarrist Peter Weihe einige sehr schöne Akzente setzte. Nein, das ist kein verlorenes Ideal, dem Annette Humpe hier nachtrauert: Das ist ein recht persönliches musikalisches Tagebuch mit dezenten Reminiszenzen an die Neue Deutsche Welle und an die Schlagerwelt der 20er Jahre. Und das gefällt immer besser, je öfter man sich darauf einläßt.