Funk

Unternimmt man einen kleinen Streifzug durch die Funk ’n‘ Soul-Covergestaltung, so wird man recht schnell feststellen, daß Bescheidenheit nicht gerade zu den Tugenden unserer schwarzen Brüder und Schwestern gehört. So gesehen ist Bobby Brown dann schon wieder ein beinharter Traditionalist: Der Ex-Vorturner der New Edition-Rasselbande preist sich für sein Solodebüt als KING OF STAGE (MCA/WEA 254468-1) an – und zumindest seine Pose auf der Rückseite läßt keinen anderen Schluß zu. als daß er es tatsächlich ernst meint mit dem Anspruch auf die Krone. Vorerst reicht es aber nur für ein paar Zacken, denn der Youngster leidet, dokumentiert auch durch die aufgebotene Produzentenschar, noch unter Orientierungsschwierigkeiten — zwischen frech abgekupferten Philly-Harmonien, Cameo-Planspielen (Larry Blackmon produzierte drei Tracks), protzigem Street-Getöse und zappeligen Ausgleichsbemühungen für den in diesem Alter naturgemäß etwas häufiger amoklaufenden Hormonhaushalt. Trotzdem: Auf dem Schnittpunkt zwischen Teenie-Star und „Erwachsenwerden“ schneiden andere meist schlechter ab. (4)

Ein neuer Name aus New York: die Fünf von Füll Circle haben ihre Brötchen bisher vorwiegend als Sessionpersonal verdient und lassen sich für ihren Erstling BOYS‘ NIGHT OUT (EMI/ASD 2407131) von Randy Muller (Brass Cobstruction, Skyy) ein Soundkorsett schneidern, das meistens ganz ordentlich paßt. Die Stärke des Quintetts liegt in rotierenden, mittelschweren Funk-Grooves („Workin‘ Up A Sweat“, „Miracle Worker“), auch wenn diese Karte insgesamt doch ein bißchen überreizt wird. Angenehm aber zu hören, daß Sänger Albert Lee auch behutsamer angelegte Kulissen wie „Can’t Find A Love“ kontrollieren kann. Nur von stoischen Stahlplatten-Beats sollten sie künftig die Finger lassen — das können Cameo immer noch besser. (4)

Mic Murphy und David Frank alias The System haben in der jüngeren Vergangenheit eher als Produzenten (für u.a. Angela Bofill, Chaka Khan) denn als Interpreten für Aufsehen gesorgt; nach einem bahnbrechenden Debüt waren ihre letzten Platten für maximal zwei überdurchschnittliche Nummern gut. DONT DISTURB THIS GROOVE (WEA 781691-1), Album No. 4 des Black & White-Duos, setzt diesen Kurs fort. Die maßvoll effektgespickten Grooves, mal trendy, mal traditionsbewußt, sorgen zwar für genügend Grundspannung, doch ein paar durchsetzungsfähige Melodien/Hooks mehr wären schon ganz schön gewesen. (3)

Wenn der Sound einer Band keine markanten Identifikationspunkte aufweist, auch das Personal kaum Reibungsflächen bietet, dann steht und fällt die ganze Chose meist mit dem Songmaterial — und das fällt für SEN-SATIONAL (WEA 960722-1) längst nicht so überzeugend aus, wie uns das Starpoint mit dem Titel ihres sechsten Albums glauben machen wollen. Von der Mischung her ist eigentlich alles da: verschlepptes Midtempo, kräftige Dance-Hooks, melodische Balladen. Aber die Schreiber/Produzenten Lionel Job/Preston Glass schaffen es nicht, eine eigene Identität für die Band herzustellen. Der Durchschnitts-R& B-Set des Monats, und nur Sängerin Renee Diggs rettet die: (3)

Die Gurke des Monats wird hiermit den Conway Brothers zugesprochen, denen tatsächlich nichts Besseres einfiel, als Chris DeBurgh(!) zu covern und dessen unsägliche Schmonzette auch noch zum Titelstück zu küren: LADY IN RED (lchiban Rec. ICH 1006) — ein Schock, fürwahr! Ist der aber erst mal überstanden, kommt der Soul-Freund doch noch auf seine hohen Importkosten. Vor allem der .sacharinsüße Slowie „What Love Will Do“ und die Rap-Spielchen der „Boys On Campus“ entschädigen für erlittene Unbill. Und wer den Ohio Players gleich ein ganzes Medley widmet, kann schließlich doch nicht ganz von der Bahn abgekommen sein. Eine zwiespältige: (3)

Wir bleiben in Atlanta/Georgia, wir bleiben im Familienverbund: FANTA-SY (Neighbor Rec. BB0315), der Erstling (vermute ich) der Bronner Brothers Nate und Bernard, leidet allzusehr unter einer etwas lieb-/einfallslosen Produktion, die ihren zickig bis unterkühlt vorgetragenen Funk-Grooves oft schnell die Spannung nimmt.

Als Balladier („Will You Marry Me“) kann Nate auch keinen Boden gutmachen, und so hoffe ich, daß die beiden nächstes Mal die Fährte von „I Wish lt Were Yesterday“ weiterverfolgen — eine gute Midtempo-Melodie. ein schönes Vocal-Arrangement. Deshalb noch:(3)

Wer Leidenschaft und Emotionen will, einen guten Song‘ allemal einer ausgeklügelten Produktionsmaschinerie vorzieht, muß auch weiterhin tief in die Tasche greifen. Denn mal abgesehen von Bobby Womack ignorieren die Plattenfirmen hierzulande fast alles, was im Süden der USA immer noch in voller Blüte steht, und so ist der Deep Soul-Fan vorerst weiter auf teure Importe angewiesen. Wer wissen möchte, wie er seine nächsten 30 Märker lustgewinnbringend anlegen kann — voila, hier ist Prince Phillip Mitchell. Der meines Wissens früher mal bei STAX angestellte Southern-Routinier hat DEVASTATION (lchiban Rec. ICH 1004) selbst produziert, alle acht Songs geschrieben und bat zur Vollendung in die heiligen Hallen der Muscle Shoals-Studios, wo ihm die bewährte Crew um Jimmy Johnson, Barry Becket etc. zur Seite stand.

Herausgekommen ist vor allem ein wundervolles Balladen-Album: Klassische Intros. aufVabschwellende Damenchöre, richtige Drums, ein richtiges Klavier, tolle Gitarren-Licks und mittendrin ein Sänger, der diese Bezeichnung wirklich noch verdient. (5)

Und abschließend meldet sich noch einmal die Verbraucherzentrale: Falls dem DJ auf Eurer nächsten Houseparty die Ideen ausgehen, könnt ihr ihm getrost zum (Inspiration-)Tanken an die Theke schicken — mit LET’S DANCE! THE DJ’S COLLECTION OF DANCE CLUB CLASSICS (CBS C2 40517) wird die Lücke problemlos gefüllt. Mix-As Jellybean kompilierte und mischte für dieses Doppelalbum besten Tanzfloorstoff aus den 70ern, u.a. von Cheryl Lynn, Deniece Williams. Eddy Grant, Jackie Moore oder Buddy Miles. Gebrauchswert mindestens: (4)