Oma, Opa, Bombe, Tod :: Kinostart 20. November
John Coats ist Chef der Londoner TV C-Studios, die vor knapp 20 Jahren das legendäre „Yellow Submarine“ vom Stapel ließen. Als der Trickfilm-Produzent Raymond Briggs‘ Comic-Buch „Wenn der Wind weht“ in die Hände bekam, hielt er es erstmal für „eine von Raymonds liebenswerten, aufbauenden Geschichten“ und nahm das Buch am Weihnachtsabend mit ins Bett. Anderthalb Stunden später hatte er es durchgelesen.
„Meine Frau kam rein und sagte: ,Du hast ja Tränen in den Augen.‘ Als Comic hatte ich so was Erschütterndes und dabei so Liebevolles noch nie gelesen. Das war es, was ich für den Zeichentrick suchte: reale, echte Gestalten, echte, starke Gefühle, ein Thema, das die Leute zutiefst betrifft. Eine Spielfilm-Herausforderung für ein Zeichentrick-Studio — ich konnte es schon vor mir sehen. „
Vier Jahre später kann man jetzt auch auf der Leinwand sehen, was — nach Theaterstück, Hörspiel und Schallplatte — diesmal aus Briggs‘ Bestseller geworden ist. Coats ließ ungeheuren Aufwand treiben: Modelle und Puppen bauen, Szenen zu Studiozwecken mit echten Schauspielern inszenieren und erst fotografisch, dann zeichnerisch umsetzen. Vor allem verzichtete er fast völlig auf die Hilfe von Genosse Computer -— „Wenn der Wind weht“ ist zum Großteil Handarbeit, jedes Bild einzeln gezeichnet, für jede Sekunde 24 Stück. 160 Zeichner schufen auf fünf Ebenen eine Räumlichkeit und Dramatik, wie man sie im Trickfilm selten zu sehen bekommen hat — und das bei einer Geschichte, die hauptsächlich in einem kleinen Häuschen spielt und mit zwei Personen auskommt.
Jim und Hilda wohnen im Grünen, irgendwo bei Brighton. Mitten in ihren geruhsamen Lebensabend platzt die Nachricht, daß der dritte Weltkrieg vor der Tür stehe und mit dem Einsatz von Atomwaffen zu rechnen sei. Die beiden bereiten sich vor, studieren die offiziellen Broschüren, bauen sich ihren Behelfs-Bunker. Und dann knallt’s.
Danach geht nichts mehr. Kein Wasser, kein Strom, kein Radio, kein Fernsehen. Aber Jim und Hilda haben überlebt und passen ihre Alltags-Gewohnheiten nach und nach den Bunker-Bedingungen an. Szenen einer alten Ehe in einer immer graueren, vor-sich-hin-sterbenden Welt. Ohne ausdrücklich davon Kenntnis zu nehmen, sterben auch Jim und Hilda -— als sie ihr Strahlenschutz-Versteck verlassen, sind sie schon gar nicht mehr gut beieinander. Aber das ist erst der Anfang vom Ende.
Ihr Dahinsiechen ist weder schockierend noch drückt es auf die Tränendrüse. Es geht an die Nieren. Das meiste Pathos bringt der Soundtrack von Ex-Pink Floyd-Kopf Roger Waters ins Spiel — die üblichen getragenen Gitarren-Klänge — dicht gefolgt von David Bowies Titel-Song (weitere musikalische Beiträge stammen von Genesis, Squeeze und dem allgegenwärtigen Paul Hardcastle).
Keine Gags, keine spektakulären Effekte. „Wenn der Wind weht“ lebt ausschließlich von der Eindringlichkeit seiner Personen. Jim und Hilda sehen vielleicht nicht so aus, sind dem Publikum aber näher und wirken echter als manche Leinwand-Charaktere, die echter aussehen. Regisseur Jimmy T. Murakami und Produzent Coates wollten einen „ganz besonderen, ganz anderen Trickfilm“, denn „Zeichentrickfilm muß nicht niedlich sein, er kann sogar tiefer gehen und wirklicher sein als Kino üblicherweise“. Stimmt.
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