Hardrock
Alles in Butter. Die Quellen sprudeln wieder kräftig, immerhin steht das Weihnachtsfest bald vor der Tür — und da möchte sich jede Band schon jetzt ein Stück vom Kuchen abschneiden. Nur leider bedeutet Masse noch lange nicht Kasse. Ideen braucht man — und da happert’s bei einigen doch ganz gewaltig.
Massenhaft Speed und jede Menge Schläge verteilen Purgaton aus USA auf TIED TO THE TRAX'(SPV). Die Fünf (Jeff Hatrix genannt „The Roar“, Mark Alexander am Baß, Randy Gonce und Greg Perry an den Gitarren sowie Kenny Easterly am Donnerbalken) lieben es laut, bisweilen so laut, daß man sich unwillkürlich fragt, wo soll das nur enden? Immer wieder luunmer down und die Regler auf volle Pulle ist gewiß nicht der wahre Jakob. Darunter leiden neben den insgesamt neun Songs (?) am Ende auch die Ohren des Hörers. Hardcore ist gut, doch zuviel davon nervt. (1)
Dem „Alles-oder-Nichts“-Motto so vieler Undergroundler haben sich Havoc, ein Quintett aus Kalifornien, zum Glück nur bedingt verschrieben. Ihr Longplayer THE GRIP (SPV), bereits 1985 in den Staaten veröffentlicht, verrät vielmehr Sinn für Melodien und Aggressionen an den richtigen Stellen. Hier bleibt die geballte Faust vornehmlich in der Tasche und der Knüppel im Sack, man achtet stärker auf den Inhalt der neun Songs als auf die zähnefletschende Verpackung. Havoc —- Power mit Köpfchen. Nur der undefinierbare Soundbrei so vieler Fast Food-Produktionen macht die gutgemeinten Ansätze wieder einmal zunichte. Deshalb: (2)
Alt, aber nicht vergessen sind Magnum, die englische Band um Sänger Bob Catley und Songwriter Gitarrist Tony Clarkin. Viele Jahre hat man vergeblich im Trüben des allzu hausbackenen Hardrocks gefischt. Doch spätestens mit ON A STORYTELLER’S NIGHT von 19S5 und der Single Just Like An Arrow“ kam die entscheidende Wende. Und nun auf VIGILANTE (DGG). der von Queens Roger Taylor und Dave Richards glänzend in Szene gesetzten LP. hat man erst recht in einem anderen Metier Fuß gefaßt.
Magnum stehen nicht mehr nur für den harten Beat, sondern für intelligente Songs, die Power-, Pop- und Rock-Einflüsse gleichermaßen in sieh vereinigen. Und vor allem — die wendigen Senioren bewegen sich jederzeit auf der Höhe der Zeit. Schon das stilistisch so feingesponnene Flechtwerk in „Lunely Night“ mit unaufdringlichen Keyhoardphrasen und überraschenden Breaks, oder das forsch triggernde „Back Street Kid“ lassen Freude aufkommen. Magnum — modern und mutig. Was will man mehr? (5)
Die gestreiften Jünger Jesu, Stryper. hängen sich auf TO HELL WITH THE DEVIL (Enigma-Intercord) erneut mit Macht an des Herren Rockzipfel. In den Texten, die fast ausschließlich von den Brüdern Michael (Gesang. Gitarre) und Robert Sweet (Schlagzeug) stammen, wird gepredigt und für das Gute geworben, daß einem nur noch die Tränen kommen. Ein Rührstück aus Bibelzitaten nimmt seinen Lauf.
Musikalisch dagegen gehen die Vier ganz anders ans Werk. Da greift man dann tief in den Kelch modernen Heavy Metals, bahnen sich mächtige Gitarren ihren Weg. sind die Songs schnittig und besitzen manchmal, wie etwa in „Rockin‘ The World“ oder „More Than A Man“, sogar Charts-Appeal. (4)
Lang, endlos lang müssen die Soli schon sein, sonst gibt sieh das Enfant Terrible auf der Gitarre, Yngwie Malmsteen. nicht zufrieden. Gewiß, der Exil-Schwede ist einer der versiertesten Schnellfinger auf seinem Instrument, ein Techniker par excellence, der auch auf TRILOGY (DGG) wieder
mühelos Anleihen aus der Klassik und den harten Rock miteinander verbindet. Seine Saitenlektionen, oh nun auf der Akustik- oder metallmäßig auf der Elefctroklampfe. sind eine wahre Offenbarung für Anfänger.
Für Fortgeschrittene allerdings bietet der Axeman herzlich wenig. Die neun Songs sind nämlich in der Hauptsache nur ein einziger Showcase für den Virtuosen, der Rest der Band liefert lediglieh Stichworte. Etwas weniger Ego und Herr Malmsteen wäre wirklich einer der besten — und nicht bloß eine jugendliche Kopie von Ritchie Blackmore. (3)
Ratte sich, wer kann. Nach einem überragenden und einem gefälligen Album läßt das kalifornische Platinquarteit um Sänger Stephen Pearcy jetzt endgültig die Hose runter. DANCING UNDERCOVER (WEA) heißt die vermeintlich heiße Scheibe und wird wohl in den Staaten auch wieder ein Mega-Seller.
Warum nur dort? Ganz einfach. Ratt pendeln sich mit ihren gebremsten Power-Metall-Songs elegant auf Radiolinie ein. Hier schaltet man mal einen Gang zurück, damit’s nicht gar zu tempolastig wird, dort dürfen Robin Crosby und Warren DeMartini mal mit ihren harmonischen Gitarren vorpreschen, damit der harte Rock nicht ganz verlorengeht. Am Ende aber, nach soviel Ausgewogenheit, fragt man sich: Warum hätte nicht auch ein Mini-Album genügt? Der Mangel an überzeugendem Material wäre so zumindest besser kaschiert worden. (3)
Alice aus dem Horrorland ist wieder da und zeigt’s allen, die ihn schon in den ewigen Jagdgründen gewähnt haben. Mr. Cooper ist ganz der Alte, wenigstens musikalisch, der er zu den Zeiten von „Eighteen“ und „School’s Out“ bereits einmal war. Er und sein Partner in crime, Gitarrist und Co-Songwriter Kane Roberts, knüpfen aut CONSTRICTOR (WEA) konsequent an die glorreichen Tage des Hardrocks an. Alles hat Hand und Fuß, jeder Ton, jeder Akkord sitzt genau. Daß sich unter der Schale des Clown ein musikalisch pfiffiger Kopf befindet, spürt man vor allem bei Songs wie ..“Life And Death Of The Party“, „The World Needs Guts“ oder „Trick Bag“. Dreimal Alice in Höchstform! (5)
Ausgelassen präsentieren sich auch Girlschool mit NIGHTMARE AT MAPLE CROSS (SPV). Das Herz der Mädels gehört dem Rock ’n‘ Roll, so unbekümmert und frei von jeglichen Sorgen legen sie los. Den Blick zurück und die Gitarren nach vorn wirbeln sie durch sämtliche Songs, mal etwas härter, dann wieder ganz traditionell, ohne viel Federlesen, rein in die Rhythmen und ab die Post!
Natürlich ist nach dem musikalischen Ausflug mit Gary Glitter und dessen „Leader Of The Gang“ auch auf dem Album eine treffliche Cover-Version und zwar von Muds „Tiger Feet“ (Original: 1974). Glitter. Glamour. Girlschool rockt und rollt. (4)
Der Beau aus Boston. Billy Squier, hat die Zeichen der Zeit richtig gedeutet und in den Archiven der Vergangenheit gekramt, bei den Beatles, Psychedelic, Flower Power und alles mit einem kräftigen Schuß Rock gewürzt. Wie eine faszinierende Reise in die rouring sixties hört sich sein neuestes Opus ENOUGH IS ENOUGH (EMI) stellenweise an. Die Melancholie hat in ihm ihren Meister gefunden.
Er verzichtet auf laute Gesten, spielt nicht den wilden Berufs-Rocker, sondern eher verhalten, doch stets auf den Punkt. Vor allem balladeske Songs. Beispiel: „Come Home“ oder „Lonely One“, sind seine wahre Stärke. (4)
Aus dem Süden der Staaten, aus Atlanta, kommen Georgia Satellites und sind dennoch keine Southern Rockband im üblichen Sinn, wie man vielleicht vermuten könnte. Im Gegenteil, die vier Nobodies erweisen sich auf ihrem gleichnamigen Debüt (WEA) als stilistische Wegelagerer. Sie mixen Lynyrd Skynyrd-Zitate mit Nashville-Charme, plündern fröhlich beim Pop mit einer Cover-Version von Rod Stewarts „Every Picture Tells A Story“, langen gelegentlich auch mal härter zu und leihen sich entweder bei AC’DC oder ZZ Top die bluesigen Boogie-Tunes aus. Alles in allem ein ebenso frisches wie rotzfreches Album einer Band, die von Linientreue nichts hält. Gut so. (4)
Schnapsnase und Ex-UFO-Bassist Pete Way kann endlich aufatmen, der alte Sumpf ist trockengelegt und seine Band Waysted wieder voller Hoffnung. Der Anlaß: Die neue LP mit dem Titel SAVE YOUR PRAYERS (EMI). Endlich haben die ehemaligen Sorgenkinder des englischen Hardrocks ihre reichen Erfahrungen in die Waagschale geworfen und originelle, powerfulle Songs geschrieben. Allein zwei der insgesamt zehn sind für mich jetzt.schon potentielle Hits, „Heros Die Young“ und „Out Of Control“. getragen von einer eingängig, einfühlsamen Melodie mit Biß, die der hervorragende Sänger Danny Vaughn mit seiner stark ameriam like Stimme noch zusätzlich krönt. Also, auf geht’s! (5)
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