Grenzmusik

Die Scha(llpla)tten der „Neuen Zeit“ trühen zunehmend die Freude an elektronischen Klängen. Als Licht am Ende des New Age-Tunnels erscheint der Trompeter Jon Hassel mit POWER SPOT (ECM). Hassel mißbraucht Synthesizer nicht als Weichspülmaschinen; seine Ethno-Rhvthmen lassen auch keine falsche Sentimentalität aufkommen. Allein schon wegen ihres eigenwilligen Sounds verdient die LP eine: (5).

Den Begriff „Meditationsmusik“ stellen Saxophonist Wolfgang Puschnig und Keyboarder Wolfgang Mitterer mal wieder zur Diskussion auf OBSODERSO (Moers Music). Die LP wurde live in einer Kirche eingespielt. Computermusik vom Tonband erinnerte das Duo bei diesem Konzert ständig daran, daß es sich nicht im Wohlklang der heiligen Halle verlieren möge. (4)

Als Ruhekissen eignet sich eher DIRECT TO EMOTION (Thein plane) des Gitarristen Uwe Witte, der sich auf seine klassische Ausbildung beruft (3). Aufnahmetechnisch versiert klingt der Japaner Kitaro, der mit TENKU (Geffen/’WEA) Liebhaher von sanftmütigem Electronic-Pop einlullt (3).

Synthi-Pop-Zitate auf der Compact Disc FIRST HELLO des Keyboarders und Sängers Bobby Crew lassen den Hörer schon eher abheben, obwohl — oder weil — dieser Amerikaner verdammt erdverbunden klingt. Schade, daß seine Rhythmuseruppe kaum neue Ideen beisteuert. Aber jene Titel, mit denen Bobby Crew so(u)listisch glänzt, verdienen eine: (5).

Ebenfalls zehn Jahre zu spät produziert wurde BREAKTHROUGH (Eulenspiegel) von Gong. Richtig: Die ehemalige Kult-Band ist noch aktiv. Drummer Pierre Moerlen trommelte Studiomusiker zusammen und ließ mit antiquarischen Gitarren-Riffs Kapital aus dem guten Namen schlagen. Leserbriefschreiber, welche die 80er Jahre im Drogenrausch verschlafen haben, fordern für diese LP bestimmt eine höhere Wertung; für den distanzierten Beobachter ist’s eher eine (3).

Gründe, die eine Flucht aus der Jetzt-Zeit empfehlenswert machen, nennt Manfred Maurenbrecher auf der LP SCHNELLER LEBEN (CBS). Kernaussage seiner Lieder: Die Welt ist schlecht, keiner versteht mich. Letzteres mag daran liegen, daß er mit prallgefüllten Texten die beschränkten Möglichkeiten seiner Sangeskunst überfordert. Dabei hatte die Vorab-Single „Halbwertzeit“ vielversprechend geklungen und verdiente eine: (4).

Maurenbrecher sollte einen Azubi-Vertrag schließen mit der 1957 verstorbenen Chansonette Claire Waldoff. Schellackrauschende Studien dieser Berliner Schnauze liegen wieder vor auf der LP HERMANN HEESST ER (Tcldec). Für Hagen-Fans auch eine gute Gelegenheit, mal Ninas Idol kennenzulernen (5).

Höheren Ansprüchen an Interpretation und Songmaterial genügt GERSHWIN-Sängerin Barbara^ Hendricks (Philips). Begleitet von den Pianistinnen Katia & Marielle Labeque singt sie Werke aus der Feder des „Summertime“-Komponisten. In raffiniertem Wechsel zwischen Jazz-Improvisation und Kunstliedgesang verbeugt sich das Damen-Trio vor dem Vater aller Songwriter nun auch auf CD. (6)

50 Jahre nach George Gershwin nutzt der New Yorker Avantgarde-Liedermacher David Garland Mittel, die den üblichen Regeln für Lyrik-Vertonungen zu widersprechen scheinen: Vom Küchenstuhl bis zum Moog-Synthesizer reicht sein Instrumentarium. Spätestens mit CONTROL SONGS (Recommended) zeigt er nun endgültig, daß .sich seine Experimente gelohnt haben. (5)

Die meisten Inspirationen für die New Yorker Jazz-Scene liefert zur Zeit der Sänger. Komponist und Producer Kip Hanrahan. Für seine Mini-LP A FEW SHORT NOTES FROM THE END RUN ließ er Jack Bruce einfliegen, die Percussion-Arbeit erledigte ortsansässige Prominenz. So nebenbei zeigt dieses 15-Minuten-Opus. warum Bandoneon-Virtuose Astor Piazzolla sein Meisterwerk TANGO: ZERO HOUR unbedingt in jener unterkühlt kreativitätsfördernden Atmosphäre von Hanrahans Studio einspielen wollte. Beide LPs (veraBra): (6)

Andere Mittel zur Förderung der kreativen Laune empfehlen die Dubliners auf der CD 1R1SH FOLK FESTIVAL (Sound). Plenxty und Moving Hearts werden hier auch endlich mal auf einem Silbertablett den deutschen Folk-Freaks präsentiert. Aber die interessanteste Entdeckung sind die Songs des Soft-Rockers Christy Moore. (5)