Penner im Pool :: Der ganz normale Wahnsinn (2)

Ansonsten widmet er sich nicht den intellektuellen Neurotikern, sondern der klassischen Filmsituation: dem Zusammenprall der Welten. Mit der Anarchie eines Groucho Marx stößt er mit Vorliebe starke, aber nicht gesellschaftsfähige Charaktere in eine heile, aber brüchige Weh. Ließ er in seinem letzten Film „Moskau in New York“ einen naiven Sowjet-Russen die kleinen Schwächen der Hoehleistungsgesellschaft entlarven, so bringt diesmal ein Penner Trubel in den behüteten Mikrokosmos einer Beverly Hills-Aufsteigerfamilie.

Papa Dave Whiteman (Richard Dreyfuss) ist mit Kleiderhügeln zum Millionär geworden und vögelt das Dienstmädchen: Mama Barbara (Bette Midier. 1.) kaschiert ihre Nutzlosigkeit mit exotischer Religiosität und enervierendem Schaffensdrang; die Tochter ist magersüchtig, der Sohn Videomane und verkappter Transvestit. Eine ganz normale amerikanische Familie, in die urplötzlich das Chaos einbricht: Jerry (unser aller Lieblings-Macho Nick Nolte, u.) gibt einen Bilderbuch-Penner, der sich nach dem Verlust seines treuen Hundegefährten im Whitemanschen Pool ertränken will.

In einem Anfall von selbstgefälligem Edelmut nimmt Dave den armen Tropf auf. Die Macht der äußeren Erscheinung charakterisiert Mazursky in einer altbewährten Parabel: Der Millionär kleidet und pflegt den Landstreicher. Nur. daß er diesen Vorgang nicht spekulativ auswalzt, sondern Nick Nolte innerhalb von fünf, sechs Schnitten vom Wrack zum stattlichen Mannsbild herrichtet.

Nach anfänglichen Berührungsängsten freundet sich Jerry mit der „Sonnenseite“ des Lebens an und versprüht spröden Charme.

Mazursky spielt den Philosophen und Lebenskünstler im Vagabunden voll aus: Nach und nach zeigt Jerry den Whitemans die wahrhaft schönen Seiten des Lebens. Mit Dave geht er eine Nacht zum Saufen an den Strand. Barbara beschert er den phänomenalsten Orgasmus ihres Lebens, Sohn Max lehrt er zu seinem wahren, schwulen Ich zu stehen, das Dienstmädchen bekehrt er zum Kommunismus. Tochter Jenny zeigt er die wahre Liebe — und Hund Matisse (1. u.) heilt er von seinen Neurosen.

Treffend, aber nie gehässig zeichnet Mazursky wunderbare Klischeefiguren und verunsichert sie in ihrem amerikanischen Traum, ohne den widerwärtigen sozialkritischen Zeigefinger zu heben. Mazursky ist kein plumper Moralist, sondern subtiler Anarchist. Und nur deswegen darf er sich an eigentlich abgenutzten Themen wie diesem messen. Und mit viel Liebe zum Detail läßt er Nebenfiguren auftauchen wie den schwarzen Musikproduzenten Orvis Goodnight (Little Richard. I. o.). der trotz Rolls und Millionen noch von Rassenkomplexen geplagt wird: Mazursky wird zwar nie zur Legende, aber er macht Spaß.