Lounge Lizards, Hamburg, Fabrik

Mit nur drei Alben und einer Musi-Cassette seit 1979 (davon noch das meiste Live-Mitschnitte) weisen sich die amerikanischen Lounge Lizards nicht gerade als Studio-Freaks aus. Ober-Lizard John Lurie brachte zwar zwischenzeitlich eine Platte mit der Musik zum Film „Stranger Than Paradise“ heraus (in dem er auch die Hauptrolle spielte), aber die Lounge Lizards sind eine Live-Band. Eine mit Haken und Ösen, denn ihr zweistündiges Konzert-Programm ist vollgestopft mit allem, was sie mögen, und das ist eine Menge.

John Lurie (Altsaxophon) und sein Bruder Evan (Piano) bestimmen die musikalische Richtung, aber bei einer Bandbreite, die sie selbst zwischen Duke Ellingten, Bela Bartok, Thelonius Monk, Captain Beefheart, Astor Piazolla und Jimi Hendrix angeben, müssen die restlichen Bandmitglieder kaum kreativ kuschen: Da findet jeder sein Eckchen, um sich auszutoben.

Trotzdem gibt’s keine chaotischen Exzesse: Endlose Soli finden nicht statt, vielmehr legen die sieben experimentierfreudigen Lounge Lizards Wert auf präzis aufregende Ensemble-Teile, die mit großer Sorgfalt und Detailfreude kunstvoll knackig verschraubt werden. „Free-Ausbrüche“ (falls man das so nennen kann) gestalten sich wohlgeordnet, arrangiert und sind von einer atemberaubenden Kompaktheit, ohne je steif zu wirken oder gar steril.

Natürlich hat darüber hinaus jeder Musiker Solo-Freiraum: Posaunist Curtis Fowlkes etwa pflegt den vielleicht rundesten, bluesigsten Sound, konträr zu Gitarrist Marc Ribot. der sich schon mal als Hendrix-Reinkarnation gefällt. John Luries Altsax. sanft und melodisch weit ausschwingend, reibt sich an Ray Nathansens Tenor-Horn, das mit aggressiverer Attacke die Kanten zuspitzt. Eric Sanko (b) und Drummer Douglas Bowne fällt es nicht im Traum ein, etwa zu swingen: Schließlich spielen die Lounge Lizards keinen Jazz“, wie John Lurie in einem Interview kokett lächelnd versichert.

Zwei Jahre ist die heutige Besetzung der Lounge Lizards beisammen, und sie haben sich blendend zusammengerauft. So gut, daß alle Stil-Extreme nicht etwa naive Verspieltheit vermuten lassen, sondern eher gemeinsame Durchdringung musikalischer Formen und Gefühlslagen. Kein Panoptikum amerikanischer Klang-Riffs, sondern individuelle Destillate, die in dieser locker aufgeteilten Form schlicht Spaß machen, wenn man wie Lurie und seine Gesellen Humor und Intellekt so zwanglos verbinden kann.

Zum gut aufgelegten Publikum in der „Fabrik“ sprang der Funke dann auch problemlos über, und die Lounge Lizards marschierten zum überschäumenden Konzertabschluß ganz New Orleans-mäßig mit einer Polonaise durch die Halle: Ein bißchen Karneval muß sein. Was soll man da im Studio!