Strangeways, London, Marquee-Club

Kaum einer kennt sie, doch mit erhobenen Köpfen kamen sie vom schottischen Hochland herunter und griffen London an, den Vorhof für eine Weltkarriere. Mit ungehemmter Gier packten die Gebrüder Stewart ihre Gitarren (lan die Sologitarre und David den Baß) und beschallten den dunklen Raum im Marquee-Club. einer wichtigen Adresse für Auftritte mit Folgen. Jim Drummond, der Drummer, hatte den Dudelsack ins Moos gelegt und holte im Club die dicken Knüppel aus dem Sack. Gefühlvoll streichelte der Boß, Komponist und Texter lan, den Hals seines Lieblings — und die Saiten stöhnten Töne.

Und dann der Kerl am Mikro, Terry Brooks, groß und kräftig, ein Amerikaner, nach dem Debüt-LP STRANGEWAYS dazugestoßen, ein Tier, Herr Grzimek. Und er legte los, als sei die Mutter hinter ihm her. Mit einem Orkan-Organ so hoch und hell, wie ein Kanarienvogel beim Anblick einer schwarzen Katze.

Und sie fingen an zu toben, fetzten erstmal ihren eigenen Keyboarder, den sie wohlweislich hinter den Boxen versteckt hatten, restlos an die Wand und ihr Programm nach vorne. Denn heute, bitte schön, tanzen die Gitarren! Laut, schnell, rabiat rockten sie ihre LP und ein paar neuere (und interessantere) Songs in die Hörer. Phantasievolle Breaks, glänzend ausgespielte Soloparts und melodiöse Atempausen zeigten an diesem Abend, daß sie mehr wollen als „nur“ Hard-Rock zu bieten. In dieser Ecke möchten sie auf keinen Fall hängen bleiben.

In der Betitelung ihrer Songs haben sie allerdings wenig Phantasie bewiesen: „Streets On Fire“. „Close To The Edge“, „Undercover“ und „Face To Face“ —- das kannte man doch schon.

Nichtsdestotrotz kam ihr buntkarierter Schottenrock, amerikanisch gefärbt, beim Publikum bestens an. lan vertiefte sich so liebevoll in seine Solis, daß seine blonde Freundin aus München vorne in der ersten Reihe feuchte Augen kriegte. Selbst ein stinkbesoffener Gary Moore, etwas weiter hinten, hörte für einen Augenblick auf zu trinken und dem Powerplay zu.