Gil Scott-Heron, Hamburg, Markthalle

Ein gut abgehangenes Alternativ-Publikum hatte sich überraschend zahlreich eingefunden, und, wie üblich bei hochsommerlich-schwüler Wetterlage, war der (unfreiwillige) Sauna-Besuch im Eintrittsgeld mit inbegriffen. Daß den nach Luft und Liquor lechzenden Leuten nur eine Theke zwecks Linderung ihrer Leiden zur Verfügung stand, muß zumindest als geschäftsschädigende Maßnahme gewertet werden.

„Warum soll ich neue Songs spielen, wenn die Leute die alten Sachen hören wollen?“ fragt Scott-Heron nach dem Konzert auf meine Frage bezüglich einer Repertoire-Erneuerung zurück. Und damit ist der Grundtenor des Abends schon hinreichend beschrieben: Man war gekommen, sich gegenseitig Mut zu machen, Kraft zu tanken für den Kampf gegen die kleinen und großen Schlechtigkeiten, ob sie nun Alltag. Alkohol oder Rassismus heißen — keine Irritationen bitte!

Nach einem kurzen Warm-Up -— Gil solo am Piano -— steigt die gut abgestimmte, sechsköpfige Band mit „ls That Jazz?“ ein, doch leider fällt die Swing-Lektion den anfänglichen Abstimmungsschwierigkeiten am Mischpult zum Opfer.

Der Sound wird erträglicher, als Scott-Heron souverän seinen Klassiker-Katalog wälzt: Ob „Winter In America“ oder „Johannesburg“, bei dem das Publikum den Chorus übernimmt, ob „The Bottle“ oder der „Re-Ron“-Rap -— hier weiß ein Mann, was er den Leuten schuldet. Und die stehen vom ersten Ton an wie eine Eins hinter ihrem wortgewaltigen Sprachrohr, lassen immer wieder Beifallsstürme auf die Akteure niederprasseln, und im Schlußdrittel ist es dann, wie auf dem Einheits-Parteitag: Bühne und Autitorium beklatschen sich artig gegenseitig.

Die Anti-Hymne „Shut ‚Um Down“ läßt Scott-Heron natürlich nicht ungenutzt verstreichen: Die kleine Tschernobyl-Einlage lebt von lässigem Humor und zynischen Spitzen, eine Kombination, die auch die anderen Zwischenmoderationen prägt und ihn so wohltuend von hiesigen Bewußtseinsdemonstranten abhebt. Und natürlich, trotz einiger Längen und Beliebigkeiten: die Musik, woran sich insbesondere die Keyboarderin mit verrücktentzückten Solo-Parts und der von Scott-Heron wohlweislich als „secretary of entertainment“ vorgestellte Bassist mit furiosen Slap-Einlagen verdient machten.

Und trotzdem: Ich hätte mir ein bißchen mehr Risiko gewünscht, wenigstens ein paar Schlenker abseits erprobter „Give The People What They Want“-Pfade. Aber offenbar glaubt Gil Scott-Heron, sein Publikum damit zu überfordern.