Ozzy Osbourne, San Francisco, Cow Palace

Angekündigt als „The Ultimate Ozzy“ stand der amerikanische Teil der Welttournee unseres Fledermausfressers unter keinem guten Stern. Zwei Tage vor seinem Gig im 17.000 Mann fassenden „Kuhpalast“ starb der 22jährige John Loftus während des Konzerts in Long Beach an Übermut, als er versuchte, mit einem hirnrissigen Sprung vom acht Meter hohen Balkon in die Arena zu gelangen. In Verbindung mit dem gerade laufenden Prozeß eines Vaters, dessen Sohn sich angeblich zu den Tönen einer Osbourne-Scheibe („Suicide Solution“) eine Kugel in den Kopf jagte, Wasser auf die Mühlen für das neuerdings so gemein erfolgreiche moralische Amerika.

Betrachtet man aber das Gebaren des durchschnittlichen Heavy Metal-Publikums in den Vereinigten Staaten, dann kann einem als Elternteil wirklich Angst und Bange werden. Mit Intelligenz-Quotienten weit unter jedweder Vorstellungskraft stampfen da dumpfe Stiernacken zu tausenden durch den Ort des Geschehens, fiebernd nach dem Moment einer Provokation, um dann sofort mit blanken Fäusten in bester Rambonzo-Manier zum Racheakt zu schreiten.

Das strikte Alkohol-Ausschankverbot wird entweder damit umgangen, daß man bereits völlig gebläut zum Konzert erscheint, oder aber in Form von abtastfreundlichen Plastikbeuteln, wo man Fusel oder Schnüffel-Klebstoff zur ambulanten Behandlung mit sich führt.

Die Vorgruppe Metallica ist gut grausam. Hardcore-Metal, brachiale Gewalt. Mit ultralangem Haupthaar erinnern die Agierenden durch konstant massives Beuteln im 4 /4-Takt ihrer nach vorne übergebeugten Schädel extrem an die dreifache Ausfertigung des schlagzeugspielenden Monsters aus der Muppets-Show. Natürlich sollte man keine Ergüsse von harmonietechnischer Brillanz erwarten, doch die „Master of Puppets“ (Songtitel) haben spürbar Bock.

Anders Familienvater Ozzy. Nach einem grandiosen Auftritt -— Osbourne schwebt zu den mächtigen Klängen von Carl Orffs „Carmina Burana“ in einem prunkvollen Stuhl vom Hallenhimmel zu Boden -— ermüdet man als nüchterner Beobachter sehr schnell. Mit mindestens zehn Kilo zuviel auf der Waage quält sich der Liberace der Headbanger über die von Ehefrau Sharon entworfene Bühne, hebt die Arme hin und wieder zur dämonischen Geste, was bestenfalls als letztklassige Dracula-Parodie durchgehen könnte. Natürlich spielt die Band kompetent, allen voran Gitarrenspieler Jake E. Lee, der auch zu einem halbwegs beeindruckenden Solo antreten darf. Auch der neue Bassist Phil Soussan, der zuletzt bei Jimmy Page spielte, macht eine gute Figur.

Ob Klassiker wie „Iron Man“, „Crazy Train“ oder die eher melodischeren Nummern wie „Flying High Again“ oder „Secret Loser“: die ohnehin nie so recht vorhandene Stimme des Meisters scheint nun vollends im weinerlichen Gejammer zu verschwinden.

Die Menge tobt. Natürlich holen sie ihren Ozzy für Zugaben raus, und irgendwann kommt dann auch noch der Black Sabbath-Schinken „Paranoid“; und natürlich werden sie alle nach Hause gehen und sich am nächsten Tag die neue, bislang erfolgreichste Osbourne-LP THE ULTIMATE SIN reinziehen und sagen, es war ein tolles Konzert. Doch der Charme der früheren Jahre ist längst gewichen; aus dem Madman ist der Fatman Ozzy geworden, der sicher noch lange glücklich und gesund von seiner Vergangenheit leben kann …