Grenzmusik
Weltmusik aus deutschen Landen: Droht verkrampfte Originalität, wenn eine Band sich Reifenstahl nennt und ihr Cover großspurig mit „Special thanks to Roben Fripp and Van Dyke Purks“ schmückt? REX (der Produzentenklub) widerlegt meine Befürchtung. Munteres unakademisches Zickzack von Avantgarde gen Maffay-Parodie und über Klassik plus Arien-Pathos zurück zur Disco. Die Musiker um Gerd Gaida fallen trotz ihrer Überfülle an Ideen auch noch über Fremdes her, verquirlen Jenseits von Eden“ listig mit The Who und dem „Yellow Submarine“. Selten mal pubertär, vor allem souverän und erfrischend schamlos. Knapp: (5)
Was dem einen sein Stahl, ist dem anderen sein Blech -— so heißt eine 1985 von den Multi-Instrumentalisten Hubl Greiner und Rubert Volz der pfälzischen Szene abgetrotzte Formation, die ebenfalls von grenzenlosem Interesse an Musik bewegt sein muß. Volz studiert arabischen Gesang und textet in einer hausgemachten Phantasiesprache. Wenigstens die wichtigsten Teile des westöstlichen Klangpuzzles auf THE BLECH (heute/EfA) seien aufgereiht: Arabisches natürlich, Funkriffs, jazznahe Trompetensoli, Afrikanisches, eine Klangexpedition auf verstimmtem Klavier, türkische Skalen. Punkdrive, Gesang via Telefon, gesampelte Naturklängc. Lustvoll schräg, aber nicht radikal verstörend. Vom Konzept her mal wieder an „Cassiber“ erinnernd: Über Aggressivität zum musikalisch Schönen. (5)
Frivol war schon immer der Umgang, den die Dissidenten mit Marokkos Berbern pflegen. Von wegen LIVE AT THE PYRAMIDS (Exil/EfA) – die Dissis sind und bleiben charmante Lügenbeutel. Soll man den Frevlern nun die Finger abhacken lassen, oder die Poesie der auf der Hülle abgedruckten Hyänen-Fabel rühmen? Soll man ihnen passablen Orient-Pop zugute halten, oder beklagen, daß die Faszination arabischer Musik nahezu rausgefiltert bleibt. Knapp: (4)
Auf dem MINOR-MUSIC-Label ist der unermüdliche Bill Frisell an der Gitarre zugange. Im Duo mit Tim Berne (Altsax) kommt er ohne durchgehendes Timing aus, findet zu irritierenden Konfrontationen von Ruhe und nervösem Geschnatter. Höhepunkt der atmosphärischen LP THEORETICALLY ist das 16minütige „2011“, gefolgt von einem lustigen Happy End „Marke minimal“. (4) War Bandoneonspieler Dino Saluzzi mit seinem Debüt (KULTRUM. 1983) noch dem Tango Nuevo zuzuordnen, so ist ONCE UPON A TIME – FAR AWAY IN THE SOUTH zwar von lateinamerikanischer Musik geprägt (der Bassist Charlie Haden trägt dazu bei), aber das Spektrum weitet sich zum Beispiel bis zu Hadens wunderschöner Hymne „Silence“ aus, einem programmatischen Titel: Melancholie herrscht vor, verstärkt durch Falle Mikkelhorgs verloren klingende Trompete. Bei aller Zurückhaltung und Ruhe eine emotional packende Musik. (5)
LPs des Pasadena Roof Orchestra würde ich mir so schnell nicht auflegen. Aber dem Boulevard Of Broken Dreams kann und mag ich nicht widerstehen. Eine holländische Bigband mit klarem Anspruch ans Repertoire aus den 20ern bis 40ern: ITS THE TALK OF THE TOWN (EfA). Authentisch! Aufrichtig! Ergreifend! (5)
Tip für Saitenfreaks: Sergio und Odair Assad mit MUSIC FOR TWO GUITARS BY PIAZOLLA. BROU-WER, PASCOAL. GNATTAL1. ASSAD & GINESTRA (Nonesuch/ WEA). Lateinamerikanisches zwischen gehobener Folklore, undogmatischer Klassik und Jazz. Virtuos, locker „a musi“. (5)
Daß KAJAKEE MUSIC (Teldec) eine LP von Triatma ist, überrascht angesichts eines so hemmungslosen Aufgehens in New-Age-Unverbindlichkeit. Aber das Trio hat immer noch mehr Geschmack als die meisten Produkte von der Softeis-Front und bietet zudem außer der „Relaxation Side“ auch noch „The Mobile Side“ für die total entschärfte Disco. (3)
Entschieden aufregender ist, was Gitarren-Sonderling Hans Reichel und der Rockmusiker EROC mit Spülbürste, Keksdose und anderen zumeist ausgeflippten Instrumenten an Komischem. Schützenfestgeeignetem oder gar nicht mehr Kategorisierbarem aufgenommen haben. KINO (Tis) heißt das audiophile Vergnügen in extra dickem Vinyl. Ländliche Avantgarde oder urbane Experimentalfolklore? Jedenfalls bravely performed, indeed!(5)
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