Suzanne Vega :: Hamburg, Audimax

Ein ungewohnter Anblick aut dem Campus: wohlgeordnete Menschenschlangen vor dem größten Hörsaal der Universität. Würde statt Eintrittskarten der Studentenausweis verlangt, müßte von fünf Besuchern vermutlich nur einer umkehren. 1600 gereifte Menschen wollen — so die Vorab-Häme eines journalistischen Zeitgeist-Missionars — „einer anämischen Folkloresängerin huldigen „.

Mag sein, daß Suzanne an Blutarmut leidet. Immerhin ist sie weder Edel-Hippie noch alternativer Landfreak. Herausgeputzt wie eine im Kloster ausgebildete Klassenlehrerin, die für ihre Schützlinge tapfer in die Saiten greift, versteckt sie ihren Körper, sieht samt ihrer Schlagzeugerin Sue Evans aus, als würden die beiden gleich „Dominique Dominique“ anstimmen. Statt dessen ein unbegleitet gesungenes Lied mit charmanten Intonationsschwächen als mutigen Einstand.

Bei „Some Journey“ kommt die Band hinzu. Sue Evans liegen die subtilen Offbeat-Akzente. Läßt sie die überlaute Snare gradlinig donnern, hört sich’s eher nach „und jetzt werden wir rockig, nicht wahr?“ an. Die Herren an Baß und Gitarre (Knopfler-Verehrer) dagegen fühlen sich bei der gelegentlich härteren Gangart sichtlich wohl. Und schließlich will sich ja auch eine Joni Mitchell immer mal wieder als Rock-Lady beweisen. Der Jüngling an den Tasten ist rhythmisch außen vor: Er hat nur überirdische Klänge beizusteuern.

Sanfte Variationen: Die Gitarre verpaßt „Undertow“ einen diskreten Reggae-Groove. Und die Gitarristin Vega meistert souverän die versetzten Akkorde für „Knight Moves“, „Straight Lines“ klingt auch live nach Grace Slick. Ansonsten bleibt Suzanne der mädchenhaften Tonlage a la Rickie Lee Jones treu.

Wo Rickie aber alles andere als nur Unschuld ausstrahlt, kokettiert Suzanne mit ihrem Non-Sex-Appeal: Sie erzählt von Marlene Dietrich, die auf „You have killed many men whith your body“, ein trockenes „Give me a kiss“ konterte. Was Mrs. Vega sehr imponiert. Hätte sie selbst doch ein betretenes „Soll nicht wieder vorkommen“ gestottert.

In Verlegenheit gerät Suzanne auch, als nach einer guten Stunde ihre erste Zugabe auf Sarkasmus stößt: ,Is this the second half of your show?“ Die Komponistin ist nun mal so selbstkritisch, daß nur wenige Songs zur Verfügung stehen. Als sie auf zwei Oldies aus Folkclub-Zeiten zurückgreift, muß die Band passen.

Die intim-poetische Veranstaltung klingt deshalb ganz im Stile der 70er Jahre aus: Gesang und Gitarre -— irgendwo zwischen Incredible String Band und James Taylor.