John Martyn :: London, Palladium
Von den großartig angekündigten Ehrengästen keine Spur. Geplant war, daß Eric Clapton, Phil Collins, Robert Palmer und andere berühmte Freunde den schottischen Jubilar aus Anlaß seines 2Ojährigen Bühnengeburtstages durch ihre musikalische und menschliche Anwesenheit überraschen. Doch so geht’s den vielgelobten „musician’s musician“ — wenn man die Freunde braucht, und sei es nur zum Feiern, dann sind sie plötzlich durch Tourneevorbereitungen, Promotionaktivitäten und ähnliche branchenbedingte Unbill verhindert.
Sei’s drum, die Gäste im ausverkauften Palladium kamen auch so auf ihre Kosten. Der Plüschpalast an der Argyll Street im Westen Londons hat -— wie so viele Dinge in good old England – etwas von einer Filmkulisse, in der ein gestenreiches Stück aus der stolzen Empire-Vergangenheit gegeben wird: livrierte Diener, marmorne Aufgänge, schwere Vorhänge, zerbröckelnde Eleganz, vergammelter Prunk. Dort, wo sonst Theaterakteure ihr Schauspielgewerbe betreiben, oder eine Liza Minelli ihre Europa-Visite beginnt, hat elektrische Musik —- und sei sie so dezent wie die von Martyn —- eigentlich nichts verloren.
Auf der schmucklosen Bühne agierten -— nebst Martyn -— fünf Musiker: links außen Bassist Alan Thomson, daneben Saxofonist Colin Tully, rechts Perkussionist Danny Cummings, dahinter — versteckt in ihren Equipment-Bergen — Keyboarder Foster Patterson und Schlagzeuger Arran Atimun. Als Weltkind in der Mitte ein gutgelaunter John, — nach den 20 Jahren etwas breit um die Hüften, das massige Gesicht eingerahmt von einem ordentlichen Männerbart, eine halbelegante Erscheinung in Anzug, weißem Hemd und flachen Slippern. Die Komik seiner ulkigen Tanzbär-Einlagen wird dadurch verstärkt, daß er alle paar Minuten die rutschende Hose hochzieht.
Martyn, das weiß man, ist kein Performer, der durch vordergründiges Bühnegehabe und eine effektenreiche Show überzeugt. Was den Hörer in Bann zieht, ist einzig die stille Kraft seiner Musik, die selbstbewußt zwischen den Stilen hin- und herpendelt: Folk, Reggae, Jazz, Blues, Pop.
An diesem Abend bestand das Programm schwerpunktmäßig aus Songs seines aktuellen Albums PIECE BY PIECE.
Wann immer der Schotte die Rosinen aus seinem weitläufigen, auf 18 Alben verteilten Repertoire herauspickte, quittierte das Publikum dies mit Erkennungsbeifall. Wo Martyn nicht freiwillig das musikalische Gestern aufleben ließ, forderten die Hörer —- teils brotbeutlige Althippies, teils gestandene Vierziger —- ihre Lieblingslieder durch lautstarke Zwischenrufe.
Festtagsstimmung kam auf, als der Schotte alleine zwei Songs zur akustischen Gitarre präsentierte. Der einwandfreie Vortrag der Martyn-Mannen litt allerdings stellenweise unter den etwas bemühten, unorganisch eingebrachten und in die Breite gehenden Soli des Hauptakteurs. Wenn man sich darauf beschränkte, die klug geknüpften Klangteppiche zum Schweben zu bringen, schuf das Ensemble dichte und atmosphärische Stimmungen.
Als Sänger ist Martyn Geschmackssache. Noch immer verschleift er seine bilderreichen Texte bis zur Unkenntlichkeit. Die Stimme, die manchen ans Herz geht, geht anderen nur auf die Nerven.
Die zwei Stunden im Palladium lohnten sich trotzdem. Wohingegen bei der nachfolgenden Party in der „Cinderella Bar“ überhaupt nichts lief. Die Ehrengäste waren natürlich auch nicht da. Außer John Martyn.
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