CD-Platten

Um in ihrer Katalog-Politik nicht unglaubwürdig zu werden, haben etliche Plattenfirmen in den letzten Monaten offenbar in erster Linie die breit klaffenden Lücken in ihrem schon mal veröffentlichten CD-Repertoire aufgefüllt und neue Titel vorrangig nur dort publiziert, wo man auch von der LP Bestseller-Erfolge erwartet (BAP, Pete Townshend usw.) Den vorläufigen Weltrekord von Dire Straits dürfte dennoch niemand so bald wieder löschen: Die mehr als 500 000 weltweit verkauften CDs von BROTHERS IN ARMS, allesamt bei der Poly-Gram in Hannover gefertigt, stellen ein Prozent der kompletten CD-Produktion des Jahres 1985 dar. Und 1986 will diese Fabrik auf 40 bis 44 Millionen CDs kommen.

Nur scheint man es da mit der Qualität der verarbeiteten Bänder bisweilen nicht mehr ganz so genau zu nehmen. So benutzte man beispielsweise für die Herstellung des zweiten Albums von Reg Dwight alias ELTON JOHN (DJM 827 689-2) eine so schlechte Kopie, daß dagegen die 1970 bei der Ariola erschienene Analogscheibe um Klassen besser klingt —- und die Fabrik der Bertelsmann-Tochter preßte damals weiß Gott nicht die besten Platten! Ähnlich grotesk liegt der Fall bei der ersten und einzigen Platte, die 1969 die zur Supergroup erklärte Kapelle BLIND FAITH veröffentlichte: Die nunmehr vorliegende CD (RSO 825 094-2) enthält zwei im übrigen belanglose — Titel mehr, ist aber von einer bodenlos miserablen Tonqualität — wesentlich schlechter als die britische LP-Pressung von anno dazumal!

Angesichts der nach wie vor begrenzten CD-Fertigungskapazitäten — die EMI will ihr Werk im britischen Swindon in diesem Monat in Betrieb nehmen, andere wie die WEA werden erst im Spätherbst mit Silberscheiben aus eigener Produktion kommen — kamen wieder mal etliche der interessanteren CDs als „offizielle“ oder auch „graue“ Importe in die Läden, so beispielsweise die Bluesrock-Produktion HERE I COME von Luther Allsion (encore! ENC 133 C), FOOTSTEPS IN THE DARK von Cat Stevens (A & M CD 3736) und die bluesigen FALSE ACCUSATIONS der Robert Cray Band (Demon FIEND CD 43/ Teldec Import Service). Über den eigenen Schatten sprang ausnahmsweise mal wieder Island-Manager Phil Cooper: das Tom Waits-Meisterwerk RAIN DOGS. in dieser Zeitschrift „nur“ Platte des Monats und leider nicht auch des Jahres ’85, ist endlich auch als CD erhältlich (Island 880 081-222). Der rührige Ariola Import Service machte es möglich. Die LP war wegen der überlangen bzw. ungewöhnlich langen Spieldauer (knapp 26 Minuten A-Seite, mehr als 28 Minuten bei der B-Seite) mit -6 dB unter üblichem Pegel sehr „leise“ überspielt worden, so daß streng genommen einiges an Dynamik verschenkt worden war. Bei CD sind solche Kompromisse nicht notwendig.

Dasselbe trifft auch auf drei Scheiben zu, die der TIS aus England importierte, nämlich ALMOST BLUE (IMP FIEND CD 33) und IMPERIAL BEDROOM (IMP FIEND CD 36) von Elvis Costello sowie die 16 ALL-TIME LOWES von Nick Lowe (Demon FIEND CD 20), eine Kollektion von Lowes Pop-Klassikern der späten 70er Jahre, bei der weitgehend die komplette Rockpile-Besetzung mit von der Partie war. Insbesondere die Costello Anhänger werden sich einmal mehr wundern. Denn wie schon bei den amerikanischen Columbia-Importen wird auch hier wieder klar, daß sich Big El im Tonstudio nicht notwendigerweise einer Garagen-Ästhetik befleißigte. Wenn die Analogrillen die Aufnahmen teilweise verklirrt, mit „dünnen“ Höhen, „mageren“ Bässen und teilweise gar Verfärbungen in den entscheidenden Mitten wiedergaben, lag das an den LP-Umschnitten und nicht an den Bändern.

Genau umgekehrt liegt der Sachverhalt bei der amerikanischen Anthologie FROM THE ORIGINAL MASTER TAPES von Bill Haley and His Comets (MCAD-5539), die Oldies-Sammler entzücken dürfte. Der Titel sagt es schon: Wie in der Praxis der internationalen Bandaustausche allzu oft üblich, rückte man an Lizenznehmer nur Kopien einer x-ten Generation heraus, die sich nunmehr im Vergleich zur CD als ziemlich schlimm entzerrt erweisen. (Bis auf das MFSL-Set waren ja auch die Beatles-LPs nie von den Mutterbändern überspielt worden: was die EMI selber bei künftigen CDs wohl endlich nachholt!) Unter diesem Aspekt ebenfalls unbedingt empfehlenswert ist das Debüt der Jimi Hendrix Experience. Denn die CD-Version von ARE YOU EX-PERIENCED 0 (Polydor 825416-2) bietet erstmals — von den Songs“.Red House“ und „Remember“ abgesehen — die Stereo-Abmischungen und nicht die pseudostereofonisierten Mixes der LP. Was die Raum-Effekte bei „3rd Stone From The Sun“ ungleich spukiger klingen läßt. Aber so war das ja wohl auch vom Meister gemeint!