Mr. Mister :: New York, The Ritz

Traue keinem Übernacht-Erfolg einer amerikanischen Band. Er ist nämlich meistens keiner. Auch Mr. Mister, die als gesichtslose Band das Siegertreppchen der dezemberlichen US-Charts bestiegen, sind schon seit 1975 am Schuften. Vor allem Sänger/Bassist Richard Page und Tasten-Experte Steve George (beide aus Phoenix, Arizona) konnten sich als Mietmusiker an der Westküste einen Namen machen. Diejenigen, die aufmerksam die „Credits“ auf diversen Covern von Quincy Jones, Donna Summer, Al Jarreau oder Rick Springfield studiert haben, wissen Bescheid.

Nachdem Mr. Mister mehrere US-Gigs als Anturner der großen Tina absolvierten, stand nun die erste Headliner-Show auf dem Programm. Daß dies in New York zu den musikalischen Großereignissen gerechnet wurde, erkannte man schon an den Kameras des Musikkanals MTV, der die kompletten 85 Minuten für eine spätere Ausstrahlung aufzeichnete.

Mit einem bissig-funkigen „Love Is So Strange“ aus der zweiten LP WELCOME TO THE REAL WORLD geht die Band in die Startlöcher. Nervosität keimt kurz auf. als Richards Verstärkersound nicht ganz den Wünschen des Frontmannes entspricht. Doch die vier Vollprofis benötigen nur wenige Minuten, um sich gänzlich freizuspielen.

Gitarrist Steve Farris, der als einziger in der Band wert auf trendgemäßes Outfit legt und — eigenen Angaben zufolge — 20 Minuten zur Bändigung seiner Haarpracht benötigt, zeigt gleich bei seinem ersten Solo-Ausflug, woher bei ihm der Wind weht — der „Modern Mad Axeman“ mit dem obligaten Winsel-Untergriff pfeffert das sonst vielleicht zu brave Arrangement-Menü gerade recht.

Bei „Wheels Are Turning“ hat dann der Toningenieur endlich alles unter Kontrolle, und der gelungenen Präsentation amerikanischer Rock-Kultur steht nichts mehr im Wege. Da sitzt jede Note, da dient jedes Instrument unaufdringlich, aber stets effektiv dem jeweiligen Song; fast hat man den Eindruck, als stände hier eine revitalisierte Version von Toto auf der Bühne.

Dann der Hit: „Broken Wings“. Richard Page zeigt, was er gesanglich draufhat, variiert in extremen Höhen die Melodie mit einer Leichtigkeit, die jeden Vokalartisten neidisch machen muß.

Welch erstaunliche Entwicklung Mr. Mister bewältigt haben muß, läßt sich an den eingestreuten früheren Songs der Band gut nachvollziehen: Zu unausgegoren kommen sie dahergestolpert, keine Linien, kein Charme, kein garnix! Ein Unterschied wie Tag und Nacht zu Perlen wie „Is It Love“, „Take Trus Life“ oder „Uniform Of Youth“, die schlichtweg raffinierten, meisterhaften Pop bieten.

Die Folge-Single „Kyrie“ beschließt dann mit klerikalem Touch den Set und bringt noch einmal alles auf den Punkt: Hier stehen vier exzellente Handwerker, die lange genug auf ihre Chance warten mußten. Die Zeit ist reif.