Grenz-Patroullie
Zur Zeit auf meinem Plattenteller: Elvis Costello: Imperial Bedroom: Katia & Marielle Labeque:Stravinsky; BHI Withers:Watching You Watching Me; Sting: The Dream
Was da aufs erste Hinhören nach lockerem Avantgarde-Pop klingt, ist letztlich ein bitterernstes Politikum: Die Kalahari Surfers sind weiße Musiker aus Südafrika. Ihre zensurträchtige LP Own Affairs konnte im Lande nicht gepreßt werden, weil die Texte sich der „eigenen Angelegenheiten“ in allzu deutlicher Sprache annehmen (teils Collagen mit entlarvenden Zitaten). Musikalisch stehen die Surfers der britischen Avantgarde nahe- und wurden prompt bei Recommended London co-veröffentlicht. (5)
Robert Wyatt, an dessen Gesang Own Affairs vor allem auf der B-Seite anknüpft, würde sicher auch The Lo Yo Yo mögen. Den Namen borgte das Quintett bei Captain Beefheart. Ansonsten ist ihr „alternative pop“ (Etikett der britischen Presse) von Folk, Cellospiel und dem zu Herzen gehenden Gesang Joey Stacks geprägt. Mike Hobbs Teilnahme bürgt dafür, daß Extra Weapons (FLOP, Rec) eine Premiere im Geiste seines „Officer“-Projekts wurde: trotz ausgeklügelter Songs mit der Aura unperfekten Engagements. (5) Anna Domino, deren Rhthym hohe Erwartungen schürte, finde ich auf dem nun nachgereichten Vorgänger-Album East And West (Fünfundvierzig, EfA) sanft enttäuschend: schwächere Songs und Arrangements (mitverantwortlich ist Blaine L. Reininger), aber immer noch überm Durchschnitt. Knapp: (4) Verdünnt wirken die unsterblichen Melodien der Herren Gershwin, Carmichael oder Rodgers, wenn sie von „Nichtsängern“ mit schrägem Charme serviert werden. Daß sich Lol Coxhill, Stephen Beresford und Tony Coe als The Melody Four zusammentaten, ließ einen britischskurilen Gag von Format vermuten. Spätestens beim zweiten Anhören tat es mir dann doch leid um „You Go To My Head“ und andere Klassiker, die auf der Mini-LP Love Plays Such Funny Games liebevoll Richtung Barmusik zersungen werden. (3) Zweifellos verdienstvoll: die Wiederveröffentlichung des Doppelalbums Magma Live aus dem Jahre 1975 (EfA). Wer die Kobaianischen Ekstasen (ellenlange Jazzrock (?)-Titel ohne Leerlauf) mit dem weißen Soul der wiederauferstandenen Kultband vergleicht, stößt auf zumindest eine Gemeinsamkeit: die Ernsthaftigkeit dieser hochambitionierten Gruppe. Herausragender Solist war damals Didier Lockwood, zuzeiten Magmas Gegenstück zum Mahavishnu-Geiger Jerry Goodman. (5) Die Würzburger Recommended-Leute vertreiben ein Doppelalbum, das für mich zum Aha-Erlebnis des Monats wurde. Das Trio Naif (nomen ain’t omen) kommt aus Spanien – und strotzt vor Ideen. Zu eigenwillig, um in wenigen Zeilen beschrieben zu werden, enthält die Wundertüte mit der Aufschrift Atlas weit mehr als Hundegebell, Miles Davis-Anklänge und einen unkonventionell eingesetzten Kontrabaß. Obwohl der Jazzeinfluß dominiert, ist Atlas ein Muß für entdeckungsfreudige „Weltmusik“-Fans. die noch nicht einmal hartgesotten sein müssen: Naif kommt ohne nervtötende Passagen aus. (5) Ohne krasse Effekte und direkte Provokationen macht der Gitarrist Bill Frisell beunruhigende Musik. Marsch, Rock, mexikanische (?) Folklore werden erfindungsreich verarbeitet. Den zugrundeliegenden Puls bringt auf Rambler Drummer Paul Motion zum Atmen. (ECM, 5) Zündstoff für den Posaunenchor-Stammtisch bieten die sechs Bläser samt Percussion, deren Dernier CRI über Recommended zu beziehen ist. Manch schlimmes Saxgetröte trübt den Spaß am originellen Umgang, den Six Cylinders En V mit progressivem Rock, Blasorchester-Repertoire und Kammermusik pflegen. (3) Folgt gleich zweifach der Beleg, daß musikalische Aktionen mit Performance-Charakter auf Platte oft an Reiz verlieren: Der natürliche Nachhall in einem Kölner Trinkwasserspeicher inspirierte vor allem Bläser, aber auch Sänger(innen) und einen Akkordeonvirtuosen zu Einspielungen Vor Der Flut (Eigelstein. EfA). Das Video zum obertonreichen Experiment ist sicher interessant – und das entsprechende Doppelalbum beim ersten Anhören teils auch. Und das war’s dann, oder?
Bei normaler Akustik brachte das Ensemble Ex Improviso unkonventionelle Klangerzeuger zum Scheppern und Klirren: Objekte der Würzburger Ausstellung“.Klangskulpturen ’85“. Auch klassische Experimentalmusik wie die so entstandene Musique En Tete (Rec) höre ich mir denn doch lieber vor Ort an. (beide: 3)
Mehr News und Stories