Mick Jagger

She’s The Boss

Wenn einer der ganz Großen, Alten, Etablierten sich mit über 40 Jahren noch anschickt, sein erstes Soloalbum zu veröffentlichen; wenn er dazu einer ist, der kontrovers diskutiert wird, einer, der für viele noch immer als der Rock’n’Roll-Revoluzzer par excellence gilt, für jene ohne rosa Brille aber nur noch ein Jet-Settender Snob mit einem Rest musikalischer Ambitionen ist klar, daß da so mancher insgeheim hofft, daß dieser Mensch vielleicht mit seinem Projekt auf die Nase fällt.

Doch Michael Philip Jagger tut uns den Gefallen nicht. Auf SHE’S THE BOSS, in New York mit Bill Laswell (Material) und Nile Rodgers (Chic), zwei In-Producern also, realisiert, findet sich unter den neun Tracks keiner, der nicht auch von den Stones hätte gespielt werden können.

Große kompositorische Experimente bleiben letztlich aus. Aber wie dieser eigentlich simple Rhythm & Blues (Vergleiche zu Bowies LET’S DANCE drängen sich fast zwangsläufig auf) instrumentiert, arrangiert, produziert und interpretiert wird, das macht SHE’S THE BOSS bereits zu einem ersten Highlight des noch jungen Jahres 1985.

Insgesamt exzessiver, auch extremer, sicherlich flippiger, ohne Zweifel inspirierter als auf allen jüngeren Stones-Alben zusammen, präsentiert sich Jagger als Solist. Und seltsamerweise klingt das Werk, an dem eine Unzahl von ausgebufften Studio-Cracks mitgewirkt hat, letztlich lockerer und auch spontaner als so manche auf Iow budget getrimmte Produktion.

Pete Townshend und Jeff Beck geben ihre Visitenkarte ab; die JA(H)-Superstars Sly und Robbie dürfen nicht fehlen; Herbie Hancock und Jan Hammer vertreten die Jazz-Rock-Funk-Fraktion. Und alle stellen sich in die Dienste des Stones-Sängers, der hier alle Register seines Können zieht und mitunter so affektiert klingt, daß es nicht mehr (oder schon wieder) schön ist. „Hard Women“, eine Quasi-Soul-Ballade, ist dafür bestes Beispiel.

Aber genug der Worte. Hört euch diesen Jagger an. Irgendwie ist er schon großartig, dieser Schnösel…