Barry Manilow 2:00 AM Paradise Cafe

Nach den schwarzen, nachgebauten New-Wave-Sartres sollte es mittlerweile auch der Cowboystiefel-Träger mit Poppertolle geschnallt haben. Wie modern und hip es doch ist, sich in der gediegenen Ausgeh-Musik unserer Großväter weltmännisch zu aalen. Bars und Cappucino-Cafes werden allerorten gefordert – und Julie London, Astrud Gilberto oder Stan Getz auch wieder im Munde geführt. Vom großen 84er-Comeback eines Francis Alberto Sinatra nimmt gar eine breilere Jugend ergeben Kenntnis.

Von Nelson Riddle. dem Altmeister des Genres, dem Magier des gepflegten Nachtclub-Arrangements für besinnliche Momente, gibt es endlich wieder eine neue Arbeit. LUSH LIFE heißt sie, und Riddle zelebriert darauf meisterhaft 11 klassische Songs der Zeit 1928 bis 1952 (von Rogers/Hart, Hoagy Carmichael. Duke Ellington etwa) und den Sinatra-Titel „I m A Fool To Want You“ von 1979.

Heraus kam ein glitzernd entspannendes Schaumbad für die Zeit nach der Euphorie in den Tanzpalästen, ganz im altmodischen Sound gehalten, wie geschaffen für eine(n) Sänger(in). mondänen Trübsinn darüber auszubreiten.

Linda Ronstadt genügt solchen Ansprüchen nicht. Was das gewisse Göttliche einer Judy Garland verlangt hätte, wird durch sie traurig verflacht – und schon verplätschert das schöne Ambiente in der nächsten Regenpfütze. Was bleibt, ist die unvergleichliche Schönheit der Songs.

Altes Bar-Jazz-Gefühl in neuen Songs (also eher in Konkurrenz zu Sade) gibt es vom ewig bescheiden lächelnden Brooklyn-Charmeur mit der großen Nase, dem Mann also, den man gemeinhin als Schaumschläger für frustrierte Sekretärinnen belächelt: Barry Manilow.

Melancholisch schwimmt das verkannte und unterschätzte Talent durch 11 ineinanderfließende, selbstverfaßte Balladen, in einer gediegenen Atmosphäre der traurigen Beschaulichkeit, alles „smooth“ und „black in blue“, ohne Ecken und Kanten und voller Eleganz.

Und er kann dabei bestehen gegen die Jazzgrößen, die ihn begleiten – allen voran Gerry Mulligan und Gitarrist Mundell Löwe. Je einen Titel gibt es als Duett mit Sarah Vaughan und Mel Thorme: Neben der Dame von Welt bleibt Barry der nette, sympathische Junge aus der Nachbarschaft: der „Big City Blues“ mit Mel klingt wie Mutter-und-Junge-Schmerz abends vorm Fernseher (Thorme singt wie eine alte Frau. toll!).

PARADISE CAFE ist eine Platte wie Erdbeerpunsch. Und Barry Manilow hat für meinen Geschmack mehr Klasse als Sade.