Jazz

Unlängst hat eine amerikanische Plattenfirma einige ehemals zugkräftige Interpreten aus dem Jazz-Lager kurzerhand auf die kalifornischen Highways gesetzt: sie machten nicht mehr den erwünschten Umsatz.

Davon unbeeindruckt trompetet Chuck Mangione seit nun bald 20 LPs unverändert seinen säuselnden Soft-Jazz vor sich hin. Auf seinem neuesten Werk DISGUISE (CBS 26080) hat er sich allerdings ein paar Tricks einfallen lassen, um seinen Verbleib in der Vinyl-Liga zu sichern. Von Eumir Deodato, der zuletzt den Kool & The Gang-Sound besorgt hat, ließ er sich einerseits einen zeitgemäßen Synthi-Drum-Rahmen basteln, während auf „Shirley McLaine“ sich die Diva selbst berappt. Wer stampft schon eine Scheibe ein, auf der Shirley McLaine höchstpersönlich… (3)

Grover Washington jr. mußte zumindest auf „Inside Moves“, dem Titelstück seiner 14. LP (Elektra 960318-1), zeigen, daß auch er Synthi-Drums besitzt. Seit 1971 beschert der ehemalige CTI-Jünger nun regelmäßig der Jazz-Rock-Welt neue Proben seines zweifellos virtuosen Alto-Sax-Könnens. Hierzulande kam er einem breiteren Publikum erst mit seiner 1980er LP Wl-NELIGHT und vor allem durch das ausgekoppelte und von Bill Withers gesungene „Just The Two Of Us“ näher.

Also auch auf vorliegendem Werk Gesungenes: „Watching You Watching Me“ mit Jon Lucien am Mikrofon. Wenigstens gibt er unterbewerteten Sängern auf diese Weise eine Chance. Ansonsten ist auf INSIDE MOVES nichts zu hören, was er nicht auf früheren LPs besser gemacht hätte. (3)

Die ersten drei LPs von Session-Gitarrist Steve Khan klangen noch wie Fortsetzungen von Brecker Brothers-Sessiöns. Seit seiner Solo-Gitarren-LP EVIDENCE feilt er nun am eigenen Stil. Im Vergleich zur letzten Langrille EYEWITNESS, wo er noch hart auf Pat Methenys Fährte wandelte, experimentiert er auf CASA LOCO (Ariola 206 516) musikalisch irgendwo zwischen Weather Report und Police.

Zweifellos interessant, aber King Crimson, Section oder Group 87 haben diesen Bereich des Jazz schon früher mehr oder minder erfolgreich ausgelotet. (4)

Pat Metheny hat seinen typischen Stil nun schon recht lange gefunden. Den Höhepunkt hatte er 1982 auf OFF RAMP erreicht: Verblüffende Synthi-Guitar Nuancen, spärlich eingesetzter ARP mit unaufdringlicher Rhythm-Section, und jede Menge romantischer Melodien, die die Soli nicht zur Tortur für den Hörer werden lassen. Das Strickmuster ist ähnlich wie bei Steely Dan: Ohrwurm-Elemente nur ansatzweise in die Kompositionen einfließen lassen.

Auf FIRST CIRCLE (ECM 1278) wird nicht viel Neues geboten, aber das Alte ist bei Pat Metheny noch schön genug für eine LP: Der Opener heißt „Forward March“-Methenys Meinung zu den Seelen-Kapriolen seiner Landsleute bei der Mac-Donalds-Olympiade? So könnten jedenfalls die Oberkrainer nach einer durchzechten Nacht unter der Leitung von Joe Zawinul klingen.

Auf „Mas Alla“ erstmals Gesungenes. Mit „Praise“ zollt er der Blütezeit der holländischen Formation Focus Tribut. (5)

Seine Atheisten-Zeit befriedigte ihn scheinbar nicht mehr: er nennt sich (und die LP) wieder MAHA-VISHNU (WEA 25 1351-1). Oder rechnet er hier mit dem Namen ab? Seinem Guru Sri Chinmoy soll er ja nicht mehr so grün sein…

Viel muß wohl zum schnellsten Gitarristen der Welt nicht erzählt werden. John McLaughlin ist ein Begriff. Mit u. a. Mitch Foreman (seine Solo-Piano Werke sind auf Soul-Note erhältlich) und Bill Evans, dem Saxophonisten (zwei LPs auf Elektra) und vor allem Billy Cobham erweist er seinem ehemaligen Miles Davis-Kollegen Joe Zawinul und Weather Report einen musikalischen Tribut. Aber nicht nur auf einem Stück – nein, die ganze LP lang! HEAVY WEATHER, die 76er LP von den Wetterfröschen, muß wohl als Vorlage gedient haben. Rhythmus-Orgien in Funk mit viel Melodie und Harmonie. Trotzdem, nicht schlecht, wenn der Meister nicht den Anspruch erhebt, etwas Neues geschaffen zu haben. (4)

Mit Azymuth verhält es sich wie bei einem spannenden Fortsetzungsroman. Man weiß nie, was als nächstes kommt und kann’s nicht erwarten, bis es soweit ist. Auf den fünf ersten Folgen von LIGHT AS A FEATHER bis RAPID TRANSIT erteilten Azymuth Anschauungsunterricht in brasilianischer Percussion, intelligent eingesetzten Synthesizern und darin, wie man Baß und Schlagzeug optimal abmischt. Ihr Markenzeichen: Brasilianische Rhythmen und romantische Melodien experimentell arrangiert. Von leichten Nuancierungen in die Richtung des jeweiligen Instruments abgesehen, unterscheiden sich die Solo-Alben von Schlagzeuger Ivan Conti und Keyboarder nur unmerklich von der neuen Jose Roberto Bertrami Kollektiv-Arbeit (IMS/Mi-Iestone9128).(5)

Fazit: Nichts wirklich Neues von der Jazz-Rock/Fusion-Front. Und solange den Musikern die Pistole auf die Brust gesetzt wird, marktgerecht zu produzieren, scheint keine Änderung in Sicht.